Horizons #24: Wie Digitalisierung in Niedersachsen funktioniert

Shownotes

„Der Schlüssel für die Transformation an ganz vielen Stellen ist die Digitalisierung“, sagt Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung. Ob bei der Energiewende, der Mobilitätswende oder dem Umbau der Wirtschaft: Ohne digitale Technologien ist der Wandel kaum zu schaffen. Dabei geht es vor allem darum, vorhandene Ressourcen besser zu nutzen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei Künstliche Intelligenz (KI). Hier stehen wir laut Lies zwar noch ganz am Anfang – umso wichtiger ist es aber, die Entwicklung aktiv mitzugestalten statt nur hinterherzulaufen. Dazu müssen auch rechtliche Spielräume geschaffen werden: „Wir müssen aufpassen, dass wir Lösungen entwickeln können, die auch genauso in China oder den USA einsetzbar sind“, betont der Minister. Grenzen sollten erst im Nachhinein gezogen werden, wenn klar ist, was technisch möglich ist.

Dabei setzt Niedersachsen auf gezielte Förderung, um vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den digitalen Wandel zu erleichtern. Vom optimierten Digital-Bonus über Reallabore bis hin zur Unterstützung von Startups: Die Ansätze sind vielfältig. Auch der öffentliche Sektor muss sich verändern, um nicht den Anschluss zu verlieren. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels sieht Lies die Digitalisierung hier sogar als notwendige Voraussetzung, um Dienstleistungen überhaupt noch erbringen zu können.

Neugierig geworden? Im Interview mit „heise meets …“ geht Olaf Lies noch tiefer ins Detail. Erfahren Sie,

  • wie Niedersachsen KMU und Startups den Weg ins digitale Zeitalter ebnet
  • warum KI-Entwicklung Experimentierräume braucht
  • inwiefern Remote Work die Zukunft der Arbeit prägen wird

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Transkript anzeigen

Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu unserem Gespräch mit Olaf Lies, dem niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen, Digitalisierung. Mein Name ist Bastian Brunotte. Und ich bin Johanna Heise.

Wir freuen uns sehr, dass Sie die Zeit für diesen Podcast genommen haben, Herr Minister Lies. Anlass ist die bevorstehende Horizon 2024, bei der es um zentrale Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz, IT-Sicherheit, Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung und eigentlich nicht weniger als die Zukunft der Arbeit geht. Wir wollen heute genau über diese Themen mit Ihnen sprechen.

Super, ich freue mich und ich glaube, das sind genau die Themen, die uns jetzt alle bewegen. Auf alle Fälle. Ein neuer Digitalisierungsfahrplan, die Niedersachsen Next Digital Agentur, ein eigener Digitalrat mit digitalen Vordenkerinnen und Vordenkern – hier direkt bei Ihnen im Wirtschaftsministerium angesiedelt.

Die digitale Transformation wird in Niedersachsengroß geschrieben, könnte man zumindest aus diesen ersten Fakten mal entnehmen. Warum ist das so ein Riesenthema? Warum machen Sie das so stark? Warum treiben Sie das Thema so?

Also tatsächlich, wenn wir über Transformation sprechen, dann haben wir für viele so diese Vorstellung, es ginge um Klimaschutz. Darum geht es auch. Aber der Schlüssel für die Transformation an ganz vielen Stellen ist die Digitalisierung. Weil wir nur mit der Digitalisierung eine echte Energiewende schaffen, nur mit der Digitalisierung eine echte Mobilitätswende schaffen. Das ist der Schlüssel dafür. Und auch viele Bereiche der Transformation der Wirtschaft extrem davon abhängen, dass wir eben Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz in Praxis der Unternehmen einbringen. Also vieles von dem, was wir uns vornehmen, was wichtig ist, ist erreichbar nur mit dieser Schlüsselkompetenz der Digitalisierung.

Gibt es da Bereiche, wo wir vielleicht auch noch besonders stark nachlegen müssen? Also wo lassen wir im Moment noch vielleicht ein bisschen Potenzial liegen?

Ja, wir haben unterschiedliche Bereiche. Das Erste ist, das gehört sicherlich dazu, Grundvoraussetzung für Digitalisierung zu schaffen, das ist die Infrastruktur. Das muss in einem Flächenland wie Niedersachsen besser sein. Und damit meine ich nicht nur den Breitbandausbau, den wir weiter voranbringen, sondern wir brauchen digitale Daten, digitale Informationen, die auch über Mobilfunk erreichbar sind.

Deswegen bin ich ganz dankbar, ich mache ja auch schon zehn Jahre die Bundesnetzagentur, dass wir endlich zu einem flächendeckenden Ausbau von 5G kommen, weil sonst kann ich viele Themen gar nicht anwenden. Und dann bin ich bei etwas, woran viele gar nicht denken, zum Beispiel Landwirtschaft und Ernährung, die extrem abhängig davon sind, dass die Digitalisierung nutzen können. Das trägt zu Naturschutz bei, das trägt zu Umweltschutz bei. Wir brauchen weniger Pestizide, die wir einsetzen.

Also das zeigt, glaube ich, an wie vielen Stellen, dass das der Schlüssel ist. Weil beim Rest, beim Thema Digitalisierung im Auto oder Digitalisierung in der Industrie, da kennt es oft jeder. Bei Landwirtschaft können wir besser noch darüber sprechen, was wir da schon machen.

Dann kommen wir auch schon so ein bisschen zu meiner Anschlussfrage. Die großen Unternehmen, die großen Player im Markt, die bekommen Digitalisierung ganz gut hin. Gibt es auch irgendwas, was Sie hier aus dem Wirtschaftsministerium heraus tun können, aus der Landesregierung heraus tun können, um so kleine und mittlere Unternehmen noch so ein bisschen besser mitzunehmen?

Das sind ja die eigentlichen Treiber, wenn wir ehrlich sind. Also gerade kleine und mittelständische Unternehmen sind nicht nur das Rückgrat der Wirtschaft. Das ist schön gesagt, aber auch ja fundamental genauso, sondern sind auch die Treiber für Innovation. Weil wir gerade bei den Großen feststellen, naja die können es zwar selber, Innovationen, wie wir uns wünschen, erleben wir oft gar nicht dabei.

Deswegen müssen wir gerade kleine und mittelständische stärken. Das wäre der erste Teil. Deswegen haben wir zum Beispiel den Digital-Bonus, den wir heute haben, den wir am Anfang mal sehr flächig mit kleinen Summen ausgelegt haben, jetzt gewandelt und gesagt, der muss eigentlich so wirken, dass er zu einem echten Ergebnis kommt. Und das muss sich wiederum transportieren, auch in andere Branchen rein, in andere Unternehmen rein. Das ist sicherlich ein Beispiel.

Oder das Thema künstliche Intelligenz. Das sind ja Unternehmen, die sind unterwegs, die brauchen auch etwas, wo sie entwickeln können, also eine Sandbox, wo sie die Chance haben, abseits von Regeln mal Dinge auszuprobieren. Also wir sind diejenigen, die versuchen, mit Mitteln oder eben mit Infrastruktur und Rahmenbedingungen gerade den kleinen und mittelständischen zu helfen.

Und nicht zuletzt, dazu gehören auch Startups. Und die Startup-Szene ist gut, ist wirklich gut. Wir müssen uns da in Niedersachsen nicht verstecken. Und für die ist natürlich das Thema Digitalisierung, künstliche Intelligenz, neue Anwendungen in allen Arbeitsbereichen zentral. Und die müssen wir stärken.

Sie haben gerade das Thema künstliche Intelligenz angesprochen. Momentan ist das ja überall das Thema. Auf jeder Veranstaltung, auf der ich bin, wird darüber gesprochen. Niedersachsen hat hier weit vor ChatGPT mit einer eigenen KI-Strategie Maßstäbe gesetzt und will das Thema auch in der neuen Digitalstrategie als wichtigen Schwerpunkt verankern. Wie kann denn KI aus Ihrer Sicht dabei helfen, Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen?

Im Grunde muss man ja mal sagen, ich komme ja selber aus dem Bereich KI, Algorithmen, lernende Algorithmen, das ist jetzt alles nicht neu. Aber die Performance, dass wir auf der einen Seite Leistungsfähigkeit der Rechner haben und auf der anderen Seite auch Daten haben, das hatten wir bisher nicht. Und bei KI sind wir, so stellen das die Fachleute dar, wenn ich fünf Stufen der KI nehme, sind wir auf der ersten Stufe. Wir sind ganz am Anfang und sind zum Teil jetzt schon fasziniert, was geht, wenn wir ehrlich sind.

Also das heißt, wir müssen da Vorreiter sein. Und jetzt will ich mit einer Sorge anfangen, die mich umtreibt. Nämlich dass wir in Europa über Regeln versuchen, Grenzen zu setzen der KI, über menschenbezogene oder menschenzentrierte KI zu sprechen, was aber in anderen Ländern dieser Welt nicht passiert. Und wir müssen aufpassen, dass wir Lösungen entwickeln können, die auch genauso in China oder den USA einsetzbar sind. Das heißt, wir müssen uns mit allen Fragestellungen beschäftigen und nicht gleich die Grenzen im Kopf haben.

Wir können dann sagen, das ist ein Problem und jetzt brauchen wir eine Lösung dafür, aber das wird nicht funktionieren, indem wir gleich Grenzen im Kopf haben. Das ist das Erste, wofür ich sehr werbe, dass wir das Themenfeld breit besetzen.

Dann sind es Anwendungslösungen, die helfen, zum Beispiel Maintenance in Betrieben besser in den Griff zu bekommen. Also zu sagen, welche Sensordaten von Maschinen habe ich, aus denen ich sozusagen intelligent auswerten kann. Wann muss ich Service machen und nicht sozusagen mit festen Intervallen, indem ich Mobilität neu denke. Wir wollen ja gerade neue Mobilität, On-Demand-Mobilität schaffen, aber das geht natürlich nicht mit dem klassischen Routenkonzept, das ich heute habe.

Das heißt, da muss ich sozusagen auch schon Vorhersagen treffen können. Wer erwartet mich, zu welcher Zeit an Mobilitätserwartung? Wie kann ich mich darauf einstellen? Also es steckt eine riesen Chance drin.

Und ich bin sicher, wir sind nicht immer ganz optimal, wenn es um Zukunftsfragen geht, weil wir meistens so First Follower sind. Also wir sind richtig gut, weil wir Dinge, die es schon gibt, besser machen. Wir müssen aufpassen, dass wir bei KI nicht automatisch uns die Rolle des First Follower zuschreiben, sondern dass wir selber vorne dabei sind.

Und deswegen glaube ich, das ist der Schlüssel, um zukunftsfähig zu sein. Weil ohne die Lösungen jetzt technisch umsetzen zu lassen geht es nicht. Und ohne die Lösung heute kriegen wir die nächsten vier Stufen der KI gar nicht umgesetzt. Wir müssen ja die erste verstanden haben, damit wir in den folgenden Stufen noch in die Anwendung gehen können.

Sie haben es aber gerade schon angesprochen. Es gibt natürlich auch viele Kritiker von KI, viele Bedenken, die einfach geäußert werden. Dann kommt noch die ganze IT-Security irgendwo dazu. Gibt es denn Angebote vom Land, um Menschen ein sicheres Sein im Internet zu ermöglichen?

Ja, das ist gar nicht so leicht, weil ich manchmal das Gefühl habe, dass der Staat sich bemüht, die Sicherheit zu geben über Regeln, über Gesetze. Der Bürger oft relativ einfach mit seinen Daten und seinen Informationen umgeht. Also wir müssen uns auch fragen, schützen wir die Menschen vor Dingen, vor denen sie wirklich geschützt werden wollen? Also die Frage müssen wir zumindest irgendwann mal positiv beantworten, sonst wäre das ja merkwürdig. Also wir brauchen halt beides.

Und ich glaube, dass wir technologisch bei Anwendung einen Schritt vorangehen müssen, um dann für die Sicherheit auch wieder einen Schritt zurückgehen zu können. Weil wenn wir nicht wissen, was geht, werden wir auch keine Sicherheitslösung haben.

Deswegen haben wir das ja nicht nur auf der Länderebene, sondern auch national, dass das Thema Datensicherheit, Cybersecurity gerade unter dem Anwendungsfall der KI noch mal eine zentrale Rolle spielt. Und sozusagen mit dem, was wir jeden Tag wahrnehmen, erst mal unterscheiden zu können, was ist Realität und was ist Fiktion. Und was ist eigentlich KI, die dafür sorgt, dass ich quasi mit Stimme und Bild den Eindruck gewinne, dass jemand etwas sagt und was nicht.

Um das machen zu können, da müssen wir technologisch ganz vorne sein. Das heißt, wir dürfen nicht den Anschluss in der Technologie verlieren. Wir können dann aber sagen, was wollen wir in Deutschland zulassen? Aber ich habe es vorhin gesagt, in einem globalen Markt zu glauben, bei digitalen Anwendungen, dass andere Regeln in China und andere Regeln in den USA mit Regeln in Europa uns schützen, das wage ich zu bezweifeln. Und deswegen, glaube ich, brauchen wir, und das ist gar nicht so einfach, für diese Herausforderung einen wirklich internationalen Standard, auf den man sich verständigen muss. Und wir müssen aufpassen, dass man nicht zu viele Detail- und Einzelstandards in Teilen der Welt macht.

Ein anderes, aber nicht weniger wichtigeres Thema, was wir im August auf der Horizons besprechen wollen, ist die Zukunft der Arbeit. Wie wollen wir eigentlich in Zukunft arbeiten? Wie begegnen wir als Land Niedersachsen diesem zunehmenden Fachkräftemangel, Arbeitskräftemangel, IT-Fachkräftemangel, der da auf uns zurollt in den nächsten Jahren?

Und wir merken den Rückschlag. Genau, der rollt noch stärker auf uns zu. Wir merken heute schon in ganz vielen Bereichen, dass uns die Fachkräfte fehlen, dass Leistungen, Dienstleistungen gar nicht mehr erbracht werden können. Und dass wir in eine andere Debatte zum Thema Digitalisierung und KI kommen oder mindestens Digitalisierung kommen, als wir sie vor zehn Jahren hatten. Wenn wir vor zehn Jahren über Digitalisierung in der Arbeitswelt gesprochen haben, dann war häufig überwiegend die Situation, dass sich Menschen Sorgen gemacht haben, was macht das mit meinem Arbeitsplatz? Wann habe ich morgen noch die Arbeit? Und jetzt ist es ein bisschen vereinfacht, aber ich glaube, heute ist es eher andersrum. Heute erleben die Kolleginnen und Kollegen, die in dem Umfeld tätig sind, dass sie ohne KI ihre Arbeit gar nicht mehr erledigt bekommen, weil der Kollege, die Kollegin, die sie brauchen, die gibt es auf dem Arbeitsmarkt gar nicht mehr.

Also künstliche Intelligenz, Digitalisierung ist der Schlüssel dafür, dass die Aufgaben, die wir haben, überhaupt noch erledigt werden können. Und gerade in vielen Bereichen, Genehmigungsverfahren, öffentliche Verwaltungsabläufe, aber natürlich gilt das auch für Banken und Versicherungen, ist das die Chance, die Kolleginnen und Kollegen, die ich ich morgen gar nicht mehr habe, auch qualifiziert ersetzen zu können.

Und ich meine, wir werden uns auch den Arbeitsmarkt ganzheitlich ansehen müssen. Es wird ja immer Bereiche geben, in denen KI zwar unterstützt, aber nie die Person selber ersetzen kann in den sozialen Berufen, in vielen Dienstleistungsberufen, in Produktionsberufen. Das heißt, wir werden auch sehr genau darauf achten müssen, dass wir die Berufe, wo wir die Menschen brauchen, so attraktiv machen, dass sie dort arbeiten wollen. Und in den Themenfeldern, in denen Digitalisierung, künstliche Intelligenz eine Alternative ist, dass wir es da besonders forcieren.

Also quasi die, wie können unsere digitalen Technologien die Aus- und Weiterbildung anforderungsgerechter auch machen irgendwo?

Ja, zum Beispiel, genau. Also auch da werden wir uns ja viel viel schneller entwickeln müssen. Also da, wovon ich fest überzeugt bin, ist, dass wir leben eigentlich in einer genialen Zeit. Wir haben zwar unglaubliche Herausforderungen, klar, und es sind auch viele geopolitische Fragen, die uns Sorgen bereiten. Aber für das Allermeiste, was wir wollen, haben wir Lösungen. Wir wissen, wie wir Energie klimaneutral erzeugen. Wir wissen, wie wir mit Digitalisierung Lösungen finden. Wir wissen, wie wir dem demografischen Wandel auch mit Digitalisierung begegnen können.

Also das ist ja eine Riesenchance. Wenn wir das gut zusammenbinden, dann ist das eine hervorragende Ausgangsposition, dass wir in dieser Zeit diese Herausforderung angehen wollen und nicht in irgendeiner Zeit, wo das Thema Digitalisierung nicht funktioniert. Das bedeutet aber wiederum, dass wir uns sehr genau auch sagen müssen, in welchen Bereichen ist Digitalisierung der Schlüssel und auch der Schlüssel für ständiges Weiterqualifizieren, weil die Lösung, über die wir uns heute mit Begeisterung freuen, die werden nicht in 20 Jahren überholt sein, die werden in zwei oder drei Jahren überholt sein. Das geht mit einer Geschwindigkeit voran. Das ist ja auch faszinierend und begeisternd.

Aber, und das will ich auch sagen, wir werden nicht nur Qualifizierung im Sinne, wie nehmen wir Menschen im Arbeitsleben mit, um die Möglichkeiten zu nutzen, organisieren müssen, sondern wie, und das haben wir ja gerade auch schon diskutiert, wie nehmen wir Menschen, die sich mit dem Themenfeld gar nicht beschäftigen, die Sorge, dass das, was wir da machen, ein Nachteil für sie ist. Und wie zeigen wir, dass wir sowohl in der Lage sind, Technologie voranzubringen und trotzdem den Sicherheitsaspekt nicht zu vernachlässigen. Also wir haben auch einen Bildungsauftrag, und zwar zunehmend mit hoher Geschwindigkeit, weil wenn die Leute erst mal erkennen, dass sich eine künstliche Intelligenz selber verbessert, selber Lösungen entwickelt für Probleme, die ich noch gar nicht aufgetragen habe, dann macht das den Menschen auch Angst. Das ist doch völlig klar. Und wir müssen aufzeigen, wie wir es auf der einen Seite begrenzen, aber auf der anderen Seite die Chancen auch nutzen.

Letzter Gedanke zum Thema Arbeitswelt. Wir leben gerade in einer Zeit, wo viele Unternehmen sagen, die Kolleginnen und Kollegen sollen doch lieber wieder ins Büro kommen. Bei Corona ging es irgendwie doch, dass alle nicht da waren. Sie müssen ja jetzt nicht sagen, wie Sie es hier im Wirtschaftsministerium machen, aber so als Flächenland in Niedersachsen, was sind da Ihre Gedanken zu? Inwieweit spielen so flexiblere Arbeitszeitmodelle, Remote Work, spielt das irgendwo eine Rolle?

Na, wenn man mal ernsthaft überlegt, also mit all den schrecklichen Auswirkungen, die Corona hatte und auch noch immer spürbar hat. Das Thema, wie flexibilisiere ich Arbeit, das hat sich schon in einer Geschwindigkeit entwickelt, die wir sonst nie vorangemacht hätten. Also wir würden eine andere Welt beim Thema digitaler Arbeit und Homeoffice-Regelung haben, als ohne Corona, das muss man einfach sagen.

Und deswegen ist es richtig so, dass wir die Flexibilisierung nutzen müssen. Wir müssen ein bisschen aufpassen, das ist meine Sorge – wir unterteilen natürlich Arbeit in Arbeit, die man digital lösen kann, also wo man auch Homeoffice-Regelung hat, und in Arbeit, die nicht digital lösbar ist. Das nicht ohne, weil wir wollen ja auch gerade in den anderen Bereichen, viele Dienstleistungsberufe sind dabei, viele auch in sozialen Bereichen sind dabei, die müssen wir trotzdem erhalten, die müssen attraktiv sein. Also wir werden uns Gedanken machen müssen, wie kann man auch über sozusagen Veränderung von Arbeitsmöglichkeiten und Einsatzzeiten, wie kann man darüber Attraktivität auch für Präsenzarbeit schaffen. Aber natürlich ist das eine Riesenchance.

Wir schaffen es, Menschen wieder stärker in Arbeit zu integrieren, die allein aus persönlichen Umständen heraus ansonsten die Stunden nicht hätten leisten zu können. Ich erlebe persönlich eine hohe Leistungsbereitschaft und Dynamik, unabhängig davon, ob man jetzt auf dem eigenen Arbeitsplatz sitzt oder die Arbeit von einem anderen Ort macht. Aber, und das treibt mich schon um, es verändert die Arbeitswelt natürlich auf der anderen Seite, weil das Miteinander, Kommunikation, Austausch, vielleicht auch mal eine Lösung für ein Problem finden, das ich noch gar nicht adressiert habe, weil ich gemeinsam im Büro sitze, weil ich gemeinsam den Kaffee trinke. Also sozusagen das, was früher kritisch betrachtet wurde, die sollen arbeiten und nicht miteinander reden. Das fehlt mir jetzt, weil jetzt ist das Miteinanderreden Teil von Kreativität ist, die ein bisschen verloren geht. Also da mache ich mir wieder ein bisschen Sorgen. Also wir müssen als Arbeitgeber auch dafür sorgen, dass der, zumindest in Teilen, Weg zur Arbeit attraktiv ist, weil wir auch davon leben, dass die persönliche Begegnung am Arbeitsplatz einfach einen hohen Mehrwert hat.

Die Horizons rückt auch das Thema nachhaltiges Wirtschaften in den Fokus. Sie haben es gerade schon gesagt anhand des Agrarbeispiels. Inwiefern kann denn die Digitalisierung hier ein wichtiger Hebel sein, um ökonomische und ökologische Ziele miteinander zu verbinden oder zu vereinbaren?

Also ich bin überzeugt davon, dass die Digitalisierung und auch die Anwendung vor allem und die künstliche Intelligenz dazu beiträgt, effizienter mit Ressourcen umzugehen. Also bei Maschinen angefangen, wann warte ich die Maschine? Nämlich dann, wenn ich optimale Dateninformation habe, muss das jetzt sein?

Bei der Frage der Mobilität, wie kann ich eine Mobilitätsressource, ob den Bus, den Zug, das Fahrrad oder eben auch das Auto, wie kann ich das intelligent einsetzen bei dem Thema Sharing, Sharing Economy. Sharing Economy lebt ja davon, dass ich digitale Informationen habe und übrigens nicht nur ich sage, jetzt habe ich einen Bedarf, sondern das System erahnt schon, wann wer in welchen Regionen welchen Bedarf hat. Also das ist natürlich ein Riesenbeitrag, um auch nachhaltiger zu sein, Ressourcen länger nutzen zu können oder eben auch in bestimmten Bereichen Ressourcen gar nicht erst zu benötigen.

Und deswegen ist das wirklich ein Schlüssel und ich bin wirklich zutiefst überzeugt, dass in dieser Zeit, in der wir sind, mit der Chance, dass wir Digitalisierung nicht nur theoretisch auf dem Blatt Papier machen können, sondern mit immer mehr Leistungsfähigkeit auch umsetzen können, dass das funktioniert. Und bei der Mobilität ist vor allem das Thema autonomes Fahren. Wenn man sich das ansieht, auch gerade hier in Hannover, der ID.Buzz – Autonomous Driving ist ein tolles Beispiel dafür. Wer heute in den Kofferraum guckt, der findet sogar wieder Platz. Vor drei Jahren waren da noch Rechner drin, wo du denkst, wow, aber wo will ich jetzt was reinladen? Also da tut sich unheimlich was und das ist ein Riesenbeitrag.

Wenn ich dafür sorge, dass Mobilität bedarfsgerecht, flexibel stattfindet, um eben auch tatsächlich auch fossile Ressourcen, die für Mobilität sonst genutzt werden, einzusparen. Also das ist für mich echt der Schlüssel und ich bin ganz dankbar, dass wir jetzt auch glaube ich ein großes Verständnis bekommen, dass wir das wirklich nutzen.

Abseits von dem ID.Buzz, welche Beispiele für nachhaltige Digitalisierung sehen Sie denn noch in Niedersachsen?

Ja, wir haben es tatsächlich in der Industrie in besonderem Maße. Also gerade da, wo ich war, Wartung, Austausch optimieren kann, nutzen kann. In der Ausnutzung von Maschinen und Ressourcen, also intelligenter damit umzugehen, dass ich die Nutzungsdauer von Maschinen optimiere und damit auch weniger Maschinen brauche, das ist gut. Sicherlich auch in vielen Dienstleistungsanwendungen, wo man auch wirklich sagen kann, ich optimiere sozusagen Wartezeiten, Aufenthaltszeiten, Mobilitäts- und Bewegungszeiten. Es fällt einem fast schwer zu sagen, wo es nicht der Fall ist, weil wir digitalisieren ja im Grunde nahezu alles.

Und ich finde immer, Digitalisierung ist eben nicht die digitale Anwendung für mich selber. Das ist für die viele noch Digitalisierung, wenn sie irgendwas benutzen, was digital ist. Sondern der Kern von Digitalisierung ist für mich, dass ich ein anderes Management habe, dass ich anders planen kann, dass ich anders auf bestimmte Situationen, die ich vorerahnen kann, reagieren kann. Dass ich Parameter in einer ungeahnten Zahl an Daten und Informationen einbinden kann. Und das muss die Einzelne gar nicht merken. Der soll gar keinen Unterschied spüren. Es muss einfach nur viel nachhaltiger und viel mehr auf die Frage von Schonung von Ressourcen ausgerichtet sein.

Ein großes Thema in der Nachhaltigkeitsdebatte ist ja auch Green IT. Wie kann denn die Politik die richtigen Anreize setzen, damit Unternehmen noch stärker auf Green IT setzen?

Also die meisten Unternehmen, das man schon sagen, es sind ja schon viele Unternehmen, die sich selber auch oder die für sich die Notwendigkeit sehen. Unser großes Problem ist, und das haben wir schon eingangs diskutiert, haben die gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen die Ressourcen, die Kapazitäten und vielleicht auch das Know-how, das ist auch gar kein Vorwurf, sich darauf einzulassen. Also das heißt, deswegen versuchen wir sozusagen mit Unterstützungsprogrammen, mit Vernetzung, mit Best Practice, also wo sieht das Unternehmen in einem solchen Netzwerk, was in anderen Unternehmen gemacht wird, das wirklich auch stärker zu fokussieren.

Zu sagen, macht mal und wir gucken nach.gucken uns das in fünf Jahren an. Das wird nicht funktionieren. Und in vielen Branchen ist ja auch eine relativ hohe Auslastung da. Das heißt, sie sind sehr fokussiert auf ihr Tagesgeschäft, das sie leisten müssen. Und es bleibt zu wenig Zeit, sich eigentlich mit diesen Zukunftsfragen wirklich zu beschäftigen und sie dann auch in Einsatz zu bringen.

Das kann eine Chance sein, mehr Netzwerken fördern an der richtigen Stelle, die geförderten Programme wieder ins Netzwerk bringen, um Best Practice zu zeigen. Das ist aus meiner Sicht eine echte Chance.

Herr Minister, wir wollen ja keine Werbung für Einzelformate machen. Es gibt abseits der Horizons ganz fantastische Events in Niedersachsen und auch in den anliegenden Bundesländern. Aber was würden Sie sagen, warum lohnt sich das, auf eine Konferenz zu gehen, auf eine Messe zu gehen, mit Leuten in den Austausch zu gehen? Warum ist das ein Ding?

Erstmal würde ich sagen, es ist schon mit einer hohen Wertschätzung verbunden, was bei Horizons gemacht wird. Denn der große Mehrwert für alle steckt darin, dass man in den Austausch kommt, von Lösungen hört. Probleme hört und zeigt, da kenne ich doch jemand, der eine Lösung dafür hat. Diejenigen, die Problemlöser sind, sind mit denen zusammen die Problemstellung erörtern können. Gerade auch für junge Unternehmen, für Gründungsunternehmen, für Startups. Das ist eine Riesenchance.

Weil das Positive ist, wir sind nicht in einem Land, wo wir den Herausforderungen nicht gerecht werden können. Wir sind inzwischen in einem Land, wo es uns immer weniger gelungen ist in den letzten Jahren, Zeit für Innovation zu haben, auch für disruptive Lösungen zu haben und wo es vielleicht immer schwerer geworden ist, dass die richtigen Partner zusammenkommen. Und deswegen sind solche Veranstaltungen zwei ganz wesentliche Aspekte für mich.

Das eine ist, da findet Vernetzung statt und da ist das der Austausch, da ist es sozusagen die Grundlage für Lösungen. Aber das zweite, ehrlicherweise, wer dann da ist, der sieht auch, was hier alles möglich ist. Der hat ein ganz anderes Bild von unserem Land, weil er nicht mehr durch diesen Alltag von, ich blicke auf gestern geprägt ist, sondern wirklich sieht, was in Zukunft möglich ist und was heute ja schon gemacht wird. Und deswegen ist so ein Netzwerk klasse und deswegen großen Dank.

Das sind doch tolle Abschlussworte, würde ich sagen. Herr Nils, vielen Dank für dieses ausschlussreiche Gespräch, für diese tollen Einblicke, auch in die Vorhaben des Landes Niedersachsen. Wir freuen uns, das Ganze im August, in zwei Wochen, weiter vertiefen zu dürfen und wünschen noch einen schönen Tag.

Dankeschön. Wünsche ich Ihnen auch und ganz vielen, die das Angebot annehmen. Danke. Danke.

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