Wer den Deutschen Preis für Software-Qualität (DPSQ) erhält

Shownotes

Software-Qualität ist für Richard „Richie“ Seidl eine Herzensangelegenheit – schon seit seiner Kindheit beschäftigt sich der Wiener mit Computern und Software. Nach Stationen als Programmierer und Qualitätstester berät er heute als Speaker und Autor Unternehmen, Software nicht nur funktional, sondern auch menschlich zu gestalten. Dafür erhält Seidl im Jahr 2025 den Deutschen Preis für Software-Qualität (DPSQ).

Im Gespräch mit „heise meets …“ blickt Seidl auf seinen Werdegang zurück – vom Spielen mit dem ersten 286er-PC über die Ausbildung zum Programmierer bis hin zu seiner heutigen Rolle als Vordenker und Impulsgeber. Dabei treibt ihn stets der Wunsch an, Software so zu gestalten, dass sie Nutzern Freude bereitet und ihr Leben erleichtert.

Mit dem Aufkommen von ChatGPT und anderen KI-Technologien stellt sich die Frage, welche Rolle menschliche Software-Entwickler und -Tester künftig noch spielen. Für Seidl liegt die Antwort auf der Hand: Es geht darum, Vertrauen in KI-generierte Software zu schaffen. Das erfordert seiner Meinung nach Kommunikation, Empathie und den Blick auf die Bedürfnisse der Anwender.

Trotz der Herausforderungen blickt Seidl positiv in die digitale Zukunft. Seine Vision ist eine Welt wie in „Star Trek“, in der die Technologie den Menschen dient und ethische Fragen im Mittelpunkt stehen. Dafür braucht es laut Seidl mehr Mut und Verantwortungsübernahme in der Software-Branche.

Im Gespräch verrät er außerdem,

  • warum sich auch in komplexen Software-Projekten immer eine Lösung findet,
  • wie Unternehmen ihre Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistern können und
  • welche Rolle Menschlichkeit und persönliche Begegnungen in einer KI-geprägten Welt spielen.

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Transkript anzeigen

Sprecherin: "heise meets… - der Entscheider-Talk". Wir besprechen kritische, aktuelle und zukunftsgerichtete Themen aus der Perspektive eines Entscheiders. heise business services begrüßt Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Immer aktuell und nah am Geschehen.

Sprecher: „heise meets …" – wieder eine ganz besondere Folge. Ich bin Matthias Tüxen und wir treffen heute gemeinsam Richard Seidl, von allen nur Richie genannt. Wir treffen ihn in Leipzig, ein Österreicher in Sachsen.

Richard Seidl: Sachsen und Österreich sind ja immer gemeinsam verloren irgendwie. Es ist jetzt hier gerade eine tolle Konferenz, wo ich einfach mit meinem Podcast bin und viele Leute interviewt habe, eine tolle Keynote habe und in der Software-Community mal so richtig zwei Tage wieder eingetaucht bin.

Sprecher: Richie ist Autor von Fachbüchern zum Thema Software-Test, Testautomatisierung und agiles Testen. Er ist Podcaster und er bekommt den Deutschen Softwarepreis. Und wenn es irgendwann mal einen Nobelpreis für Sympathie gibt, dann bin ich sicher, dann räumt er den auch noch ab.

Richard Seidl: „Hallo, ich bin Richard Seidl, Speaker, Unternehmensberater und Zukunftsoffizier. Schon seit meiner Kindheit lebe ich die Leidenschaft für Computer. Und aus dieser Leidenschaft habe ich dann meinen Beruf gemacht. Ich bin in die Softwareentwicklung gegangen, habe dort programmieren gelernt und habe verstanden, wie Technologie funktioniert, wie Software funktioniert. Wir leben jetzt in einer komplexen Welt. Alles ist miteinander in Abhängigkeiten und wir können gar nicht mehr feststellen, wo ist Ursache und wo ist die Wirkung davon.

Sprecher: Ausschnitte aus einer Präsentation über Richard Seidl kann man sich ausführlich auf YouTube anschauen. Wir dürfen dies mit ausdrücklicher Genehmigung verwenden und wollen das Phänomen „Richie“ ergründen. Das war und ist nämlich nicht ganz unwichtig für den Preis. Denn jetzt zitieren wir: „Der Arbeitskreis Software-Qualität und -Fortbildung (ASQF), die Fachgruppe Test, Analyse und Verifikation von Software der Gesellschaft für Informatik (GI-TAV) sowie das German Testing Board (GTB) vergeben den Preis für Software-Qualität - und warum: für seine langjährige und umfangreichen Verdienste für das Verständnis der Wichtigkeit von Qualität in Software-Systemen. Dafür bekommt er die Auszeichnung. Voila!

Richard Seidl: Genau, der Deutsche Preis für Softwarequalität, den hab ich.…

Sprecher: Du bist der erste Österreicher, der ihn kriegt.

Richard Seidl: Stimm ja.. Ich glaube, zum sechsten, fünften Mal vergeben jetzt dieses Jahr für Leistungen in dem Bereich Softwarequalität, in der Softwareentwicklung, wo man versucht, Menschen einfach auch dafür wertzuschätzen, dass sie ihren Beitrag leisten und bei mir durch die viele Community-Arbeit, im Podcast, auf den Konferenzen. Einfach hat es mich dieses Jahr erwischt und ich freue mich total darüber.

Sprecher: Das ist ein bisschen wie Preis für das Lebenswerk, oder? Du junger Kerl, was kriegst du denn dafür?

Richard Seidl: Das stimmt, also der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und es gibt dann so ein Fest.

Sprecher: Das ist nicht Lebenswerk.

Richard Seidl: Das ist nicht Lebenswerk, aber es ist mit Laudatio. Und als ich das gehört habe, dass ich einen Laudator bekomme, der eine Laudatio für mich hält, da habe ich schon gedacht, oh, jetzt wirst du alt.

Sprecher: Wer hält die Laudatio?

Richard Seidl: Mein erster Chef in dem Bereich, der Manfred Baumgartner von der Firma Nagaro. Das freut mich sehr, weil mit dem habe ich ein paar Bücher geschrieben. Der hat mich so reingebracht in das ganze Thema Software-Testing, Software-Qualität. Und es freut mich sehr, dass er das macht.

Sprecher: Und wenn es auch nicht der Preis fürs Lebenswerk ist, wir stöbern gemeinsam ein bisschen im Leben von Richie Seidl. Irgendwie sind wir als Podcaster ja auch ein bisschen Kollegen. Dafür erst einmal beim Thema Software haushoch überlegen. Also die Wiege stand in Wien, das haben wir schon geklärt.

Und als der Schnuller dann weggelegt wurde, dann hast du quasi schon mit der ersten Technik gespielt, oder?

Richard Seidl: Ja, das war schon relativ früh, also das war so in den späten 80er-Jahren hat das schon begonnen, dass ich durch meinen Vater, der bei HP gearbeitet hat, so ein Pionier der Softwareentwicklung quasi war, der hat halt immer so Computer nach Hause gebracht und hat mir relativ schnell das auch hingestellt, gesagt, jetzt mach mal einfach, und das war ja früher noch Handwerkszeug, also mit Jumper-Sätzen, so Drahtbrücken, Treiber installieren und kein Platz im DOS-Speicher und so. Also das war noch richtig. Aber ich durfte mich da richtig austoben als 9-, 10-Jähriger. Das war für mich der Einstieg in das Ganze und da bin ich hängen geblieben.

Sprecher: Ich bin ja noch älter. Mein erster Schneider, ich glaube den gibt es gar nicht mehr, insofern ist das keine Schleichwerbung, mein erster Schneider hatte zwei 5,25 Zoll Disketten. Auf der einen war das Betriebssystem ein uralt DOS und auf der anderen konntest du so ein bisschen schon irgendwas machen. Du hattest aber schon eine Festplatte da drin, oder?

Richard Seidl: Ich hatte eine 40-Megabyte-Festplatte im 286er damals. Ja, ja. Da war mein Einstieg. Und mein Vater, der war ja damals ein Schlitzohr, der hat gesagt, der hat immer mal diesen Computer gebracht und gesagt, den müssen wir jetzt installieren für eine Kundin. Und ich habe das halt gemacht und fand den super, den Computer. Und dann haben wir den wieder weggepackt dann im Herbst, als der fertig war. Ja, und Weihnachten lag der dann unterm Christbaum.

Sprecher: Das ist aber wirklich schlitzohrig.

Richard Seidl: Ja, genau. Und ich habe mich total gefreut. Also, es war natürlich dann ein super Einstieg für mich. Und ich habe dann auch echt viel Zeit damit verbracht und bin die Generation noch mitgegangen und bin auch echt meinem Vater sehr dankbar, dass er das Invest immer gemacht hat. Das war ja damals relativ teuer alles. Nur mal so einen Speicherriegel reinbauen und dann irgendwann mal auf 386er, 486er „abzugraden“ in Richtung Pentium irgendwann.

Sprecher: Andere haben Kleinwagen davon gekauft.

Richard Seidl: Genau, genau. Also, da war ich echt froh, dass er da immer auch guten Zugang hatte und mich da einfach auch versorgen hat und ich dann so spielerisch das ganze lernen konnte, bis es dann auch in Richtung Internet ging. 96, 95, 96.

Sprecher: 95 war Bill Gates, brauchen wir nicht.

Richard Seidl: Genau, und ich hatte dann irgendwann mal so einen Zugang in Wien, da gab es so ein Pilotprojekt und da haben wir dann irgendwann mal den ersten Internetzugang bekommen, dann noch über, also damals noch Modem, und dann ging es irgendwann mal auf so ein Kabelsystem auch über und ja, da war ich vorne mit dabei meiner Freundeskreis.

Sprecher: Was hat dich da schon so fasziniert? Andere Kids gehen auf den Fußballplatz oder haben ein Gameboy und du hast an den Dingern geschraubt. Warum? Wieso? Weshalb?

Richard Seidl: Also ein Gameboy hatte ich auch, aber also mich hat schon, mich hat total fasziniert, dass man da, also dass ich einem Gerät sagen kann, was es, was es tut.

Sprecher: Kann ich beim Staubsauger auch, also das ist noch keine Erklärung.

Richard Seidl: Man muss aber selber schieben….Also man kann einfach, man konnte Dinge machen, umsetzen, bisschen programmieren, Abläufe machen, und das Gerät hat quasi das zurückgespielt. Es hat etwas getan, was ich ihm einprogrammiert habe.

Sprecher: Eingebläut.

Richard Seidl: Genau. Und dann natürlich auch die ganze Vielfältigkeit, Dinge zu bauen. Ich weiß noch, da in den 90ern die ersten Webseiten zu bauen und dann zu wissen, andere Leute, das war ja damals total skurril, dass da jemand von irgendwo anders auf eine Webseite geht, die ich gebaut habe. Also das war so eine ganz neue Welt. Und da sind auch tolle Freundschaften zu dem Zeitpunkt entstanden, wo man so in diesen Chaträumen irgendwo zusammengekommen ist. Das war ja alles noch relativ klein und überschaubar und da war auf einmal die große weite Welt da. Und ich habe schon, für mich war dieser Weg, das war damals nicht klar, wie sich das mit dem Internet entwickeln wird. Natürlich, ich war ja auch Jugendlicher, aber es war für mich ja wie so, wie in leuchtenden Augen in dieser Science-Fiction-Welt gesessen auf einmal.

Sprecher: Und du wusstest schon, das wird mal mein Job?

Richard Seidl: Nee, gar nicht. Ich habe damals eine Ausbildung zum Nachrichttechniker gemacht.

Sprecher: Na gut, es ist nicht ganz so weit entfernt.

Richard Seidl: Es ist nicht ganz so weit verwendet. Aber es hat halt viel mit Elektronik zu tun. Und ich habe dann, als ich 1999 dann Matura, also Abitur gemacht habe, da habe ich mir dann gedacht, ja, Nachrichtentechnik ist vielleicht doch nicht das Richtige. Und dann habe ich gedacht, komm, dann machst du halt Programmierer. Und so ist es dann geworden.

Sprecher: Machst du halt Programmierer. Machst du halt einfach mal Programmierer. Was hast du dann programmiert?

Richard Seidl: Ich bin relativ schnell in eine Bank gekommen in Österreich.

Sprecher: Das klingt sehr abenteuerlich. Das war es auch.

Richard Seidl: Das war über einen Headhunter, der hat damals gesagt, ja Richi, ich brauche jetzt hier einen zweiten Kandidaten, ich habe dort schon einen gesetzt, der soll da rein, aber du sollst so als Option noch mit rein, damit die sich zwischen wem entscheiden können, was aber eigentlich schon gesetzt war. Und ich kam dahin, ich konnte auch noch nicht wirklich gut programmieren, nur so ein bisschen, was man in der Schule gelernt hat und habe dort gesagt, ich kann es nicht gut, aber ich würde es gerne lernen und so was. Und dann bin ich wieder nach diesem Gespräch gefahren und eine Stunde später kommt ein Anruf von dem Headhunter: „Du die haben sich für dich entschieden, weil die dich vom Typen her irgendwie cooler fanden. Die wollen dir da die Schulungen bezahlen, dass du C++ lernst und dass du diese ganzen Frameworks, die du nutzen lernst.“ - Und dann hab ich gesagt, dann machen wir das. Und dann ging es los. Und dann habe ich dort angefangen zu programmieren und bin in diese Softwareentwicklungswelt mit eingetaucht.

Sprecher: Wenn Richie Seidl erzählt, dann klingt das immer so banal. Dann machen wir das einfach. Aber natürlich ist es nicht so einfach. Aber vieles wird einfacher, wenn man Spaß hat bei dem, was man macht.

Richard Seidl: Ich habe einfach immer total viel Spaß an diesen ganzen Dingen gehabt und bin dann von der Softwareentwicklung, dann ist man ja so in einem Projekt drinnen und dann hieß es ja, möchtest du nicht mal ein bisschen Anforderungen schreiben? Wir möchten das System neu entwickeln. Du könntest mal diese Konzepte dazu schreiben. Ja gut, dann mache ich das. Probiere ich das mal aus. Und da war dann so der Requirements Engineer, hieß das damals dann schon. Hab dann da die Anforderungen geschrieben und dann hieß es ja, die anderen haben das fertig programmiert, du könntest das jetzt auch testen. Und dann warst du so in dem Thema Software-Testing-Qualität, wo du heute immer noch drinnen bist.

Sprecher: Das war wann genau?

Richard Seidl: Das war so 2002, 2003 dann rum. Und dann durfte ich dann, was ich selber quasi die Anforderungen geschrieben habe, durfte ich dann selber prüfen und habe erst gemerkt, was für ein Kram da rauskommt von dem, was ich mir gedacht habe, was es werden soll, was der Entwickler umgesetzt hat, was ich dann wieder getestet habe. Das war meine erste große Lernerfahrung, was so Anforderungsmanagement, Softwareentwicklung und Qualität betrifft.

Sprecher: Aber du wusstest in dem Moment schon, das ist es?

Richard Seidl: Es hat mir Spaß gemacht, dieses kreative Rumspielen mit einer Software, Testfälle zu entwickeln, Tests zu schreiben und zu schauen, funktioniert das wirklich so, wie das jemand auch verwenden kann? Ist das etwas, was einen Nutzer was bringt? Funktioniert die Software für den aus der Perspektive des Nutzers? Das hat mich damals total fasziniert und da bin ich dann auch richtig kleben geblieben bei dem Thema, weil das Thema auch so noch nicht, das war so ungeliebt. Die Programmierer wollten programmieren und ein bisschen Projektleiter und sowas und testen, das wollte eigentlich nicht wirklich wer, also da war auch die Lücke, wo ich meinen Spaß gefunden habe.

Sprecher: Testen war ja damals irgendwie so wie, wir klicken mal ein bisschen drauf rum und entweder es funktioniert oder nach uns die Sintflut.

Richard Seidel: Genau, so war das. Also wir haben da irgendwelche Excel-Listen, da haben wir uns schon ein bisschen überlegt, was wir testen wollen. Aber so wirklich strukturiert war es nicht und das ist erst dann mit der Zeit entstanden. Es sind zu der Zeit dann auch internationale Standards rausgekommen, wie das ISTQB, wo Methoden festgelegt wurden, Dokumente, Vorlagen mit Tools und so, die dann immer mehr gewachsen sind aus dem Bereich heraus und man immer mehr Professionalisierung auch in dem Bereich bekommen hat und die ersten Zertifizierungsschulungen dann gab und man sich auch immer ein bisschen entwickeln konnte fachlich in diesem Bereich, aber als ich angefangen habe, gab es das noch nicht.

Sprecher: Du hast ja gleich mal ein Buch geschrieben draus.

Richard Seidel: Genau, das war dann mein erstes Projekt außerhalb der Bank. Da bin ich dann nach Dresden gekommen zu einem Projekt und dort hatte ich meinen großen Mentor Harry Sneed kennengelernt und der war schon damals, um die 60 rum, hatte einen Haufen Bücher geschrieben und der hat gesagt, Richie, du schreibst jetzt mal ein Buch mit mir mit, wir machen das gemeinsam. Und das war dann das erste Werk, der Systemtest, wo es quasi darum geht, wie teste ich ein komplettes Software-System. Und das Buch haben wir dann zusammengeschrieben und das war auch so der Einstieg in die Autorentätigkeit.

Sprecher: Du hast bei unserem Einstieg gesagt, die Sachsen und die Österreicher haben immer zusammen verloren. Klingt nicht so.

Richard Seidel: Ne, in dem Fall war es nicht so. Ich habe mich da immer sehr wohl gefühlt, auch in Sachsen. Das waren fünf tolle Jahre, wo wir da in den Projekten waren und tolle Sachen gemacht haben. Und eben auch einige Bücher daraus entstanden sind, wo wir unsere Projekterfahrung und unser Wissen dann immer wieder mit reingepackt haben.

Sprecher: Viele Stationen folgten. Wir gehen das mal im Zeitraffer durch. Wien, Dresden, Potsdam, aktuell ist es das Ruhrgebiet, genauer gesagt Essen. Aber Richie ist eigentlich überall präsent. Die Technologie macht es möglich. Und in einer seiner vielen Publikationen sagt er über sich: „Meine Mission ist, dass Technologie für uns ein Werkzeug sein soll, mit dem wir unsere Zukunft gestalten, in eine positive Utopie hin, so wie Star Trek eben auch ist. Wir können viel mit jedem Werkzeug, auch mit Technologie viel Schindluder treiben. Aber ich denke, es ist so viel Schönes drin und da möchte ich gerne Impulse geben und sehen, dass wir auch das wirklich sinnvoll nutzen und eine tolle Zukunft für uns und unsere Kinder gestalten."

Sprecher: Von Star Trek wird noch die Rede sein, aber eine positive Zukunft, das ist sein Thema. Auch bei der Keynote in Leipzig, nach der wir diesen Podcast aufgezeichnet haben.

Richard Seidel: Erstmal die Technik umbauen. Achso, ich bin ja Mac-User, da kommt jetzt ein Windows-Ding rein. Das sieht so aus, ob es läuft. Und das ist das ganze Thema X by Design. Der eine oder andere wird das wissen, die ganze Regulatorik drückt uns gerade ganz viel Qualität auf die Augen. Hier haben wir das Cyber Resilience Act, Accessibility Act, AI Act. Also irgendwo drückt die Regulatorik gerade rein, dass wir uns um Dinge, die wir geltend in den Projekten bis jetzt so hinten angestellt haben, Performance, Sicherheit, Usability und so weiter, so irgendwie am Schluss dann noch irgendwer gibt da so seinen Schnuppi drunter und dann passt das schon. Dass wir das auf einmal jetzt vorne mitdenken müssen, dass wir im Design überlegen müssen, was heißt denn das eigentlich in Richtung Security, was wir hier machen, was müssen wir dokumentieren und sowas. Das ist natürlich ein Krampf, Bürokratie, was muss ich alles machen, aber wenn man es so mal positiv betrachtet, wir haben endlich unser Shift left, was wir hinkriegen wollen. Wir kriegen endlich diese nicht-funktionalen Sachen auch frühzeitig mit betrachtet. Ein Segen für die Qualität.

Sprecher: Qualität der Software ist das, was Richie Seidel antreibt. Qualität steht im Mittelpunkt. Und dabei redet er ohne Punkt und Komma, egal ob vor dem Publikum oder am Mikrofon von „heise meets…".

Richard Seidel: Ich bin ja immer, ich mag total gern, wenn eine Software, das mochte ich ja schon als Kind, wenn die irgendwie so eine Freude erzeugt. Wenn ich irgendwie Spaß dran habe, das zu verwenden. Und ich ärgere mich heute noch, wenn Webseiten irgendwie nicht gut sind, wenn da irgendwas nicht so funktioniert, wenn sie langsam sind oder sowas. Und das war damals schon mein Antrieb, dass ich... was ich gerne wollte, dass der Endanwender, der User, der davor sitzt, auch ein bisschen Spaß hat dran. Weil viele, gerade in Business-Software, wenn man das sieht, was man da präsentiert bekommt, das will man gar nicht verwenden. Da hat man überhaupt keinen Spaß dran.

Sprecher: Nenn doch mal Ross und Reiter, also an so einem Beispiel. Was gefällt dir überhaupt nicht?

Richard Seidel: Also zum Beispiel, wenn so Masken komplett überladen sind, oder es muss auch alles ein bisschen schön aussehen. Also ich habe es auch gerne, wenn man so ein bisschen einen Flow da hat, oder wenn meine Arbeit einfach erleichtert wird, auch durch die Software, wenn ich nicht unnötig... Klicks machen muss, wenn ich in der Bedienung arbeiten möchte, wie ich möchte. Manch einer hat lieber Tastatur, manch einer hat lieber Maus. Vielleicht gibt es jetzt bald ja noch nur mehr KI-Eingaben, wir wissen es ja nicht, was so kommt. Aber das soll den Menschen gut tun, die Dinge zu verwenden und nicht dann noch irgendwie einen extra Frust am Arbeitsalltag bringen. Und es gibt genug schlechte Software da draußen oder inkompatible Software, die einem das Leben schwer macht, wo man dann Selbstzweck damit beschäftigt und das, ja, das mochte ich nie.

Sprecher: Und trotzdem hast du Sachsen verlassen nach fünf Jahren?

Richard Seidel: Ja, das war die Liebe. Die hat mich dann nach Potsdam gezogen und dann habe ich zehn Jahre in Potsdam gelebt und habe dort auch mal noch eine andere Branche kennengelernt, weil ich in dem Bereich Qualität dann in die Medizintechnik gegangen bin.

Sprecher: Und das war immer schon als selbstständiger Unternehmer dann?

Richard Seidel: Ja, wobei ich hier pausiert habe. Also davor war ich selbstständig. Als ich in die Medizintechnik gegangen bin, war ich auch in Anstellung. Das war auch so ein bisschen die Zeit der Familiengründung, um da mal ein bisschen zur Ruhe zu kommen.

Sprecher: Regelmäßig Windeln kostennoch Geld und abends zu Hause ist auch nicht schlecht.

Richard Seidel: Genau, da will man dann auch was haben von zu Hause und nicht jetzt als Consultant da durch die Gegend fahren.

Und das war für mich noch mal ganz interessant, weil ich dann auch viel mehr mitbekommen habe, wie funktioniert eigentlich das Zusammenspiel zwischen Software und Hardware? Also wie funktioniert eigentlich Software auf einem Gerät? Wir hatten damals EKG-Geräte getestet, Vital-Funktionsmonitore, die Sauerstoffsättigung überwachen, die Herzströme, Herz-EKG überwachen und dann alarmieren in dem Fall. Also da muss die Software auch gewissen Qualitätsansprüchen genügen. Und das war für mich nochmal ganz spannend zu sehen, wie auch da dieses Zusammenspiel ist. Rein weg von dieser reinen Software hin zu einem Gesamtsystem, Gesamtgerät.

Sprecher: Und mit welchem Ergebnis, wenn du sagst spannend zu sehen. Man nimmt ja irgendwas immer mit aus so einem Job. Was war das in dem Fall?

Richard Seidel: Also gerade da ist es so, dass in der Medizintechnik, da wo wir gearbeitet haben, da haben diese Geräte alarmiert. Zum Beispiel, wenn Kinder so ein Risiko haben zum plötzlichen Kindstod, dann haben die quasi so ein Gerät bekommen, dass die Eltern alarmiert werden in der Nacht. Und da habe ich dann auf einmal gemerkt, dass es ja da noch einen viel größeren Impact gibt durch die Arbeit, die wir da leisten, die wir in der Softwarebranche, in der Hardwarebranche bringen, wo wir wirklich... Menschen auch helfen, in ihrem Leben besser zurechtzukommen und es eben nicht nur eine schöne Oberfläche ist, sondern hier auch, wo es vor allem um Menschenleben geht. Und das war für mich schon nochmal ganz, ganz besonders, vor allem mit dieser, auch diese Verantwortung zu sehen, ich meine, wenn man so ein bisschen in dem Thema drinnen ist, Elektronik und Software und so, das sind alles sehr komplexe Sachen. Wir haben tausend Leiterbahnen, Chips darüber, irgendwelche Treiber, die dann damit funktionieren, Schnittstellen von außen, Steckersysteme plus die Firmware, die draufläuft und die Software. Also das ist ein großes, komplexes Konstrukt, auch wenn es nur ein kleines Gerät war. Und das muss im Endeffekt funktionieren. Und wenn nicht, ist es blöd.

Sprecher: Und ihr habt das alles zum Laufen gekriegt und ist am Laufen geblieben?

Richard Seidel: So ist es, ja.

Sprecher: Und warum bist du nicht geblieben?

Richard Seidel: Ja, ich habe dann mit der Zeit gemerkt, dass mich doch auch die freie Wildbahn wieder irgendwo gelockt hat, andere Kunden zu sehen, andere Projekte, auch neue Sachen... nochmal auszuprobieren und dann habe ich gesagt, gut, ich mache nochmal den Sprung in die Selbstständigkeit und bin wieder Freelancer geworden, Unternehmer geworden und habe dann gesagt, okay, ich möchte meine Kunden wieder so beraten, dass ich einfach unterschiedliche Branchen sehe und andere Projekte auch nochmal kennenlernen und bin wieder in die große weite Welt gegangen.

Sprecher: Erzähl mal von diesen Kunden. Also Medizintechnik hast du erläutert, kapiere ich. Plötzlicher Kindstod ist eine unwahrscheinliche Motivation. Gesundheit? Ich habe auf der Website gelesen, da ist Otto dabei, ich glaube Lufthansa war dabei und so weiter. Erzähl mal von denen, wo sind da die Herausforderungen?

Richard Seidel: Also gerade größere Unternehmen, die haben natürlich schon erst nicht seit vorgestern Software. Die haben Software-Systeme, die zum Teil schon 10, 20 Jahre alt sind, die aus verschiedensten Systemlandschaften bestehen, wo 40, 50 verschiedene Applikationen miteinander Daten austauschen und das ist einfach eine total gewachsene Komplexität drinnen, zum einen in der Technik... zum anderen aber auch organisatorisch, also so historisch gewachsene Unternehmen, die mit ihren Verantwortlichkeiten und wir haben in der Softwareentwicklung so seit 15 Jahren auch das Thema im Markt angekommen, diese Agilität, wir wollen schneller werden, wir wollen flexibler werden und für größere Unternehmen ist das immer, auch gerade im Bereich Softwarequalität eine große Herausforderung und da zu unterstützen, das war dann so lange Zeit mein Punkt, wo ich gesagt habe, da möchte ich mit reinhelfen, einfach das... dass wir in dieser Software-Industrie, gerade in Deutschland, da auch noch besser werden. Weil ich glaube, wir sind, wenn ich es jetzt so mal von außen betrachte, in Deutschland haben wir sehr stark oder im deutschsprachigen Raum kommen wir stark aus dieser Ingenieurswelt heraus und das ist alles sehr präzise, sehr genau, das muss alles so mit Zahnrädchen genau berechnet sein, dass das auch funktioniert. Das Problem ist, bei Software geht das nicht so. Software ist immer so ein bisschen flaky, es ist immer so ein bisschen fluffy, ein bisschen fehleranfällig. Und diese Perfektion ist da nicht so einfach zu schaffen. Und deswegen tun wir uns da, glaube ich, auch ein bisschen schwer in der Softwareentwicklung. Und da war immer mein Anspruch, da möchte ich helfen, das besser zu machen. Und ob das jetzt, also im Großen ist es natürlich nochmal, da dreht man natürlich ein größeres Rad, aber auch in kleineren Unternehmen, die jetzt mit Software gar nicht so viel am Hut haben, war das nochmal interessant, weil dort erst die ersten Schritte gemacht wurden. Mal eine Website oder ein E-Commerce-System oder mal irgendeine Digitalisierungsstrecke aufzubauen. Da sehe ich noch immer sehr viel Potenzial.

Sprecher: An dieser Stelle ein kleiner Hinweis in eigener Sache. Bei „heise meets …" haben wir vor kurzem ein Interview mit Dr. Werner Vogels, Vice President und Chief Technology Officer von Amazon geführt. Wer es noch nicht gehört hat, lohnt sich auf alle Fälle. Aber eine der Kernaussagen aus diesem Interview, aus diesem Podcast, entwickle dich oder stirb.

O-Ton Dr. Werner Vogels

Richard Seidel: Ich glaube, wir haben schon in Europa unseren eigenen Weg. Wir sind ja natürlich auch sehr bedacht, was Datenschutz und sowas.

Und da wird dann immer gesagt, das ist die große Innovationsbremse und so. Aber es gibt da halt kein Richtig und Falsch. Wir fokussieren uns mehr darauf. Das ist auch, glaube ich, ein großer Vorteil, den wir auch haben, auch wenn ich selber immer fluche über DSGVO und diese Dinge. Ich glaube schon, dass das auch einen großen Mehrwert hat und was wir uns bei einigen Dingen mehr überlegen und deswegen vielleicht im internationalen Vergleich, was Softwareentwicklung auch immer zwei Schritte hinterher sind.

Aber wir haben auch großartige Beispiele, gerade du hast vorher Otto erwähnt, Otto hat es ja geschafft aus einem Kataloggeschäft, wo viele dann pleite gegangen sind, einfach sich neu zu erfinden und quasi ein neues E-Commerce-Geschäft daraus zu machen, was parallel zu Amazon lebt.

Also wir können das schon. Vielleicht fehlt uns manchmal der Mut und was ich halt häufig in Unternehmen auch ein bisschen wahrnehme, ist dieses Thema der Verantwortungsübernahme und eher so Schuldzuweisung und diese Sachen. Da haben wir immer so ein bisschen, ich weiß nicht, dieses Wort, das ist ein Mindset-Problem, so eine komische Kultur damit umzugehen.

Wir sichern uns lieber noch ein paar Mal mehr ab, bevor wir mal irgendwas machen. Ich finde es aber auch nicht gut, wenn wir nur einfach machen und jetzt wie die Amis sagen, Fehler, super, wir feiern das und nochmal irgendwie ein paar Milliarden in den Sand gesetzt. Das soll es auch nicht sein. Aber ich glaube, dazwischen müssen wir uns irgendwann mal bewegen und halt schauen, dass wir unseren Platz finden auch in den Unternehmen.

Sprecher: Mittlerweile ist Seidl nicht nur Autor, Entwickler, Podcaster und Keynote-Speaker. Er ist auch noch systemischer Coach und strebt Lösungen an. Tenor: Problemdenken führt zu Problemen, Fokus auf Lösung führt zu Lösung.

Richard Seidl: Ich war ja früher rein der Programmierer und habe Agilität geliebt, habe mein Testing geliebt, habe aber gemerkt, wenn ich in Unternehmen komme und denen das sage, wie sie es machen sollen, die machen das einfach nicht. Und dann habe ich gedacht, da muss es irgendwie noch einen Faktor geben, den ich nicht bedenke als Nerd.

Und dann kam ich in diese Coaching-Welt und habe mir gedacht, ah okay, da gibt es ja auch Menschen und die haben Bedürfnisse und Werte und irgendwie könnte man da so empathischer agieren. Und dann habe ich so ein bisschen für mich dieses Pendant oder diese Balance versucht zu finden zwischen der Technik und der Menschlichkeit, zwischen Empathie und trotzdem einem Softwareverständnis.

Und das ist so auch bei mir dann reingeflossen, das möchte ich auch teilen, da möchte ich auch so eine Art der Digitalisierung mit Persönlichkeit vermitteln, wenn ich in Unternehmen bin, aber auch eben für die Community und bin dann auch mit Kolumnen in verschiedenen Magazinen vertreten und jetzt mit dem Podcast, wo das auch immer mitschwingt, dass wir eben nicht nur gucken auf die technische Seite, sondern auf die menschliche Seite, die jetzt gerade nochmal mehr Fokus bedarf, glaube ich, wenn wir so auf KI und diese Themen schauen.

Sprecher: Es ist ja auch ohnehin schwer, Technik im Podcast so darzustellen. Das Mentale, man redet drüber, ist einfacher.

Richard Seidl: Ja, also es ist natürlich schon, wenn wir über Programme und solche Sachen sprechen, dass im Podcast, wo man nur Audio hat, eh schwierig. Wobei, wenn wir da jetzt in dem Podcast, den ich da betreibe, da geht es halt viel um Konzepte, Strategien, das kriegt man schon auch ganz gut unter.

Aber ich merke auch, obwohl ich ja eine sehr technik-affine Community habe, dass die Folgen, wo es geht um Empathie, um Kommunikation, um Konflikte, um Leadership, um psychische Probleme, um diese Dinge, Impostor-Syndrom, all solche Sachen, das sind die Folgen, die total hohe Abrufzahlen haben und wo ich dann auch viel mehr Feedback dazu bekomme, weil die Leute sagen, jetzt habe ich was verstanden.

Sprecher: Und er verzweifelt nicht, habe ich in Richiea Blog gelesen, obwohl, Zitat, „das Internet ist mittlerweile voll von generierten Texten, wo man sich beim Lesen fragt, warum ich hier gerade meine Zeit investiere. SEO ist auf Steroiden, YouTube ist voll mit schlechten KI-Videos und in der Softwareentwicklung haben wir mit Vibe-Coding immer mehr Artefakte mit fragwürdiger Qualität", Zitat Ende. Aber Richie warum verzweifelst du nicht?

Richard Seidl: Ich bin so ein Grundoptimist. Manchmal denke ich mir auch immer, ich bin ein bisschen bescheuert, vielleicht bin ich es auch, keine Ahnung.

In meiner Kindheit, als ich mit meiner Mutter als Privatfernsehen kam, habe ich immer Star Trek geschaut mit Captain Picard und so und Voyager und Deep Space Nine. Und ich war immer fasziniert von dieser Welt. Die forschen rum, die fliegen rum, nutzen Technik, um Gutes zu bewirken, brauchen sich gar nicht kümmern um Geld verdienen, Kriege oder sonst was.

Die versuchen immer so philosophische, ethische Fragen zu beantworten. Das hat mir immer total gut gefallen. Das ist doch eine super Welt, vielleicht ein bisschen militärisch manchmal von der Ordnungsstruktur, aber so von der Grundidee her fand ich das immer sehr positiv und es gibt ja total wenig Science Fiction, der wirklich so ein positives Szenario auch zeichnet.

Und das hat mich als Kind total geprägt und irgendwie habe ich das jetzt auch mitgenommen. Also ich sehe zwar schon mit einem Auge auch immer die Gefahren, jetzt mit KI oder mit zu viel Social Media und diese ganzen Dinge, aber ich versuche den Fokus halt auch immer aufs Positive zu lenken, was wir alles Tolles damit machen können und eher darauf zu fokussieren und das merke ich und deswegen verzweifle ich auch irgendwie nicht.

Und gerade in Teams oder in Unternehmen ist es, das ist jetzt gerade auch das Thema, wo wir immer widersprechen, weil die Menschen einfach zum Teil frustriert sind, die haben Angst, die wissen nicht mehr vorne und hinten, Wirtschaftskrise, wir haben KI-Themen, dann ist mein Job noch sicher und all diese Dinge.

Und ich glaube, es findet sich immer eine gute Lösung. Aber man muss halt auch schauen in Richtung Lösung und nicht nur schauen, was ist jetzt immer nur schlecht. Man kann schon mal jammern, das ist schon gut, braucht es auch manchmal, aber dann wieder so ein bisschen Schwung nehmen. Und da möchte ich auch immer wieder dazu aufrufen. Darum auch meine ganzen Texte und meine Botschaften nach außen.

Sprecher: Und wir lernen, Privatfernsehen hat auch was Tolles.

Richard Seidl: Genau, ja. Also damals zumindest. Wenn ich heute schaue, ich bin auch mehr als auf dem Streamingkanal gelandet. Aber damals war das super, ja.

Sprecher: Und jetzt Leipzig. Deine Keynote hier lautete „KI übernimmt die nächste Revolution der Softwarequalität beginnt jetzt." Im Prinzip ist es natürlich in der ganzen Softwareentwicklung jetzt so, was machen wir denn mit der KI? Wir können beim Programmieren unterstützen. Vielleicht können wir auch irgendwelche Anforderungen entwickeln lassen. Vibe-Coding ist so ein großes Thema. Also ganze Programme da durch die KI erstellen lassen. Und wir im Bereich Testing, Softwarequalität schauen ja auch immer drauf, was können wir jetzt damit tun?

Und es gibt jetzt halt die Ersten, die sagen, ja wir können ja auch irgendwie Testfälle damit erstellen und Prüfanweisungen und solche Sachen machen. Ich glaube, was wir so ein bisschen ausblenden, das war eigentlich die Idee auch von der Keynote zu vermitteln, wir als Tester, als Qualitätsmenschen oder auch als Entwickler, wir haben auch eine andere Aufgabe.

Wir müssen unseren Anwendern ja zeigen, dass sie Vertrauen haben können in die Software. Wenn ich jetzt alles mit KI mache, wer soll denn da noch das Vertrauen schaffen? Das heißt, vielleicht ist unsere Aufgabe jetzt einfach eine andere.

Wir werden uns mehr darauf fokussieren müssen, wie können wir eigentlich Anwendern, Kunden, Stakeholdern zeigen, okay, du kannst Vertrauen in diese Software haben und das ist ein viel mehr menschlicher Aspekt, also da geht es viel mehr um Kommunikation, um die Bedürfnisse abzuholen und um weniger um die jetzt, wie kann ich jetzt KI übernehmen.

Die wird ihren Platz finden, wir werden irgendwann nach einem Hype-Cycle dann irgendwo da ankommen, wo wir sie gut produktiv nutzen können, aber gerade aktuell ist das natürlich, ja, also kann man schon viel machen, auch viel Unfug, aber es geht darum, wie kriegen wir dann das Vertrauen hin, dass wir dieser Software, die wir dann täglich nutzen wollen, dann auch wirklich zutrauen können.

Sprecher: Abschließende Frage. Wir schauen zusammen in die Glaskugel. Wo geht die Reise hin? Ist KI das Maß aller Dinge oder was sehen wir da in besagter Kugel?

Richard Seidl: Ja, natürlich immer mit einem optimistischen Blick. Also ich denke immer, wenn ich so drauf schaue, jetzt gerade wir wuseln alle mit diesem KI Thema rum. Kein Podcast, kein Vortrag geht ohne dieses Thema. Jedes Tool hat irgendwie das hintendran stehen.

Ich glaube, wir werden jetzt bald mal da ankommen, dass das irgendwo mal in einem gesunden Zustand passiert. Also das ist zumindest meine Hoffnung. Ich halte mich da immer gerne an diesen Hype-Cycle von Gartner und das Tal der Tränen kommt. In manchen Bereichen haben wir das schon. Also wir sehen jetzt schon KI, das so super ist, dass nicht immer was da rauskommt und irgendwo wird das seinen Platz finden in unserer Welt und dann ist es auch wieder gut und dann haben wir ja eh wieder die neue Sau, die wir durchs Dorf treiben können.

Und wenn ich mich so zurücklehne und immer wieder drauf schaue, ja es gibt das, wir hatten vor ein paar Jahren Metaverse, das wollte alles revolutionieren, der 3D-Drucker, der den ganzen Einzelhandel platt macht, also ich weiß nicht, ob du einen 3D-Drucker zu Hause hast, ich habe keinen.

Sprecher: Nein!

Richard Seidl: Ich kenne auch nur wenige, die jetzt ständig alles drucken. Also man kann da auch ein bisschen einfach drüber lachen und sagen, was wird denn? Aber sich schon auch ein bisschen damit auseinandersetzen. Es wird immer so ein Experimentieren sein, aber auch da immer nüchtern drauf schauen. Und dann wird das auch eine gute Zukunft werden, da bin ich überzeugt davon.

Ich glaube aber schon, was wir uns jetzt über die letzten Jahre viel angewöhnt haben, ist so eine Art, vielleicht Wohlstandsträgheit oder generell, es läuft alles irgendwie. Ich glaube, dieser Aktivismus, ein bisschen mehr selber zu gestalten und weniger Mi, Mi, Mi, sondern mehr auch wirklich zu schauen, was kann ich denn bewegen, wo kann ich meine Meinung sagen, wo kann ich Aktionen setzen, ob das jetzt in der Softwareentwicklung, im Unternehmen, im Privaten ist, wirklich da auch mehr aktiver wieder zu werden. Ich glaube, das bleibt uns nicht erspart. Und da sind wir, glaube ich, alle ein bisschen faul geworden.

Sprecher: Du auf keinen Fall. Dein Tag muss doch mehr als 24 Stunden haben. Du podcastest, du musst es schneiden. Ich weiß selber, was das für eine Arbeit ist. Dann kommen die Videos dazu und so weiter. Bücher schreibst du, die Kunden warten auch und am Ende steht auch noch das Finanzamt. Du hast ja jede Menge zu tun.

Richard Seidl: Das stimmt. Ich frage mich auch gar nicht, wie ich das mache. Nee, also ich habe natürlich schon dadurch, dass ich die Tools versuche schon noch für mich zu nutzen. Also ich habe viel automatisiert im Podcast, im Podcast natürlich ganz viel auch delegiert, also den Schnitt mache ich nicht selber, das habe ich mal probiert am Anfang, aber ich bin einfach zu doof für Color Grading und für Audio Leveling und so Zeug, das ist nicht meine Welt.

Und deswegen ist das extern und ich versuche das wirklich alles ein bisschen zu streamlinen und mit Unterstützung auch von anderen zu arbeiten mit der Community, die mir da auch hilft, die mir als Sparring auch dient.

Und bei den Kunden ist es so, dass ich da jetzt eher in so einem Modus auch bin, dass ich eher so eine Begleitung mache, die jetzt nicht mehr die Fulltime 40 Stunden in der Woche betrifft, sondern wo ich zum Beispiel am Montag immer zwei Stunden habe und das dann jede Woche und dann so eine Begleitung über längere Zeit dafür mache. Da kriegt man das ganz gut dann auch hin.

Sprecher: Wenn wir dieses Gespräch in fünf Jahren wiederholen, über was werden wir reden?

Richard Seidl: Wir werden wahrscheinlich lachen über diese Chat-GPT-Geschichten von damals. Na, kannst du dich noch erinnern, 2025? Da werden wir vielleicht schmunzeln, da werden wir schon ganz andere Dinge haben. Und da werden wir schon das nächste große Ding wieder haben, was uns irgendwie beschäftigt.

Aber ich glaube, und das ist jetzt auch ein bisschen meine Hoffnung, dass wir in den nächsten Jahren auch wieder stark, gerade in der IT, auf das Thema Menschlichkeit schauen. Darauf, wie es uns eigentlich als Mensch in diesem ganzen Konstrukt geht und da jetzt wieder ein bisschen mehr den Fokus drauflegen.

Ich finde, auch wenn man sagt, okay, wir hatten jetzt gerade so eine Pandemie vor ein paar Jahren, was uns das auf menschlicher Seite gebracht hat. Wo wir jetzt auf einmal wieder gerne zusammenkommen und das viel mehr wertschätzen, wenn wir uns auf Konferenzen sehen, auf Meetups, im Kaffeetreffen und so was. Es hat einen ganz neuen Wert bekommen, finde ich.

Und ich glaube, das wird KI mit uns auch machen. Wir werden jetzt irgendwann einmal satt sein, dass sich die Bots mit den Bots auf LinkedIn unterhalten oder sowas und irgendwie 1000 KI-generierte SEO-Artikel entstehen. Es geht dann wieder ein bisschen mehr um die Essenz und da freue ich mich schon drauf.

Sprecher: „heise meets… " heute mit Richie Seidel, der sich in diesem Jahr den Deutschen Softwarepreis ins Regal stellen darf.

Sprecherin: Das war „heise meets … – Der Entscheider-Talk". Sie wollen mehr erfahren? Dann besuchen Sie uns auf heise-meets.de. Wir freuen uns auf Sie.

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