Logistik: Analoge Zustellung trifft auf digitale Steuerungsprozesse

Shownotes

Die Deutsche Post DHL setzt zunehmend auf KI, um die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben. Bernd Gemein, CIO Post & Paket Deutschland, spricht über den Einsatz von KI-Lösungen im Kundenservice, bei der Sendungsverfolgung und bei der Zustellung.

Die Digitalisierung verändert die Deutsche Post DHL von Grund auf. Zwar bleibt die Zustellung von Paketen und Briefen eine analoge Angelegenheit, doch dahinter stecken immer mehr digitale Prozesse und Technologien wie künstliche Intelligenz (KI). „Wir haben da ehrlicherweise einige Themen, an denen wir insgesamt bei DHL arbeiten“, sagt Bernd Gemein, CIO Post & Paket Deutschland bei der Deutschen Post DHL.

Ein Beispiel ist der KI-basierte Voicebot im Kundenservice, den das Unternehmen Jana nennt. Er nimmt Kundenanfragen entgegen, beantwortet einfache Fragen direkt und leitet komplexere Fälle an menschliche Mitarbeiter weiter. Rund eine Million Anrufe pro Monat wickelt Jana bereits ab – mit einer Lösungsquote von 50 Prozent. Auch bei der Sendungsverfolgung kommt KI zum Einsatz: Fotos von Paketen werden analysiert, um verlorene Sendungen wiederzufinden.

Neben solchen Anwendungsfällen sieht Gemein vor allem Potenzial darin, mit KI den demografischen Wandel im Unternehmen zu bewältigen: „Natürlich müssen wir mit der künstlichen Intelligenz auch ganz, ganz stark aus demografischer Sicht auffangen, dass eben sehr, sehr viele Leute bei uns in den Ruhestand gehen.“ Erfahrungswissen von Mitarbeitern soll mithilfe von KI-Systemen gesichert und an neue Kollegen weitergegeben werden.

Trotz aller Digitalisierung: Den Zusteller macht KI so schnell nicht überflüssig, glaubt der CIO. Vielmehr geht es darum, ihn optimal digital zu unterstützen. „Der CIO wird eher durch KI ersetzt werden als der Zusteller“, scherzt Gemein. Welche Pläne die Post noch mit KI hat, erfahren Sie in der aktuellen Folge.

Erfahren Sie außerdem,

  • wie die Zustellung eines Pakets im Hintergrund digital gesteuert wird,
  • warum der Briefversand in Deutschland nicht so schnell verschwinden wird wie in Dänemark
  • und wie sich der Kundenservice dank KI und Spracherkennung weiterentwickelt.

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Transkript anzeigen

Sprecherin: heise meets … - der Entscheider-Talk. Wir besprechen kritische, aktuelle und zukunftsgerichtete Themen aus der Perspektive eines Entscheiders. heise business services begrüßt Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Immer aktuell und nah am Geschehen.

Sprecher: Ich würde mal eine Wette eingehen: Die meisten Hörer dieses Podcasts haben irgendwie mit der Deutschen Post zu tun, gerade jetzt vor Weihnachten. Deshalb haben wir bei „heise meets … – Der Entscheider-Talk" entschieden: Wir schauen mal, was da in Sachen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und so weiter bei dem DAX-Konzern passiert. Ich bin Matthias Tüxen. Auf geht's in ein großes Briefzentrum in Berlin-Schöneberg.

Sprecher: Herzlich willkommen, Bernd Gemein. Was steht bei dir auf der Visitenkarte? Head of Festplatte, Deutsche Post, oder?

Bernd Gemein: Da steht CIO Post und Paket Deutschland drauf. Das heißt, ich bin der IT-Chef von dem Teil von DHL, den man als Privatkunde so kennt. Das heißt, alles, wo Deutsche Post draufsteht und alles, was an Paketen in Deutschland kommt. Das internationale Paketgeschäft gehört nicht zu mir, die großen Containerschiffe, Express-Sachen gehören nicht zu mir, aber das, wo Sie hoffentlich demnächst ihre Weihnachtsgeschenke mitbekommen, dafür wäre ich zuständig.

Sprecher: Das heißt, alles das, was ich nicht erlebe als Postkunde, ich kenne ja nur den Zusteller, der ist analog und bei dir ist alles anders.

Bernd Gemein: Na gut, der Zusteller hat auch einen Hasci-Scanner, ja, das heißt der Scanner, auf dem man früher und heute noch einen Quittungsdruck macht…

Sprecher: Hasci-Scanner? Warum denn Hasci?

Bernd Gemein: Hasci, oh, das ist ein Name, Handscanner-Integration und ...

Sprecher: Hat nichts mit dem Hund zu tun.

Bernd Gemein: Hat nichts mit dem Hund zu tun, das schreibt sich auch anders, H-A-S-C-I, Handscanner-Integration, aber ... aber IT-ler mögen ja irgendwie Tiernamen, zumindest bei der Deutschen Post. Insofern haben die meisten Projekte von uns Akronyme und die richten sich oft nach Tiernamen.

So, aber der Scanner ist glaube ich da das, was die Bevölkerung in Deutschland kennt. Der Postbote überreicht das Paket und quittiert es. Die meisten Deutschen kennen natürlich auch, wenn sie in eine Postfiliale gehen, das ist dann ja vielleicht ein Zeitschriftenladen oder sowas, dann wechselt der Mitarbeiter normalerweise den Arbeitsplatz, geht an einen anderen Rechner, der Rechner ist natürlich auch von der Deutschen Post dargestellt. Heißt nebenbei Fuchs, wo wir dabei sind. Filial User Experience heißt Fuchs. F-U-X, ja, Experience, kürzen Engländer ja immer mit X ab.

Sprecher: Das Privileg beim heißen Podcast ist, man lernt nur dazu.

Bernd Gemein: Genau, man lernt nur dazu. Insofern ist das, glaube ich, das Zweite. Na ja und ehrlicherweise über acht Millionen Deutsche nutzen die Post- und die DHL-App. Gerade im Dezember, also ich rede jetzt nicht von Leuten, die sie runtergeladen haben, sondern von Leuten, die aktiv da gucken, wo ist mein Paket, wie kriege ich die Packstation auf, wo mein Paket drin ist. Und da haben wir mit 8 Millionen und mittlerweile eine Sternebewertung von über 4, 4,3 so was, sind wir mittlerweile sehr zufrieden mit der Durchdringung.

Sprecher: Also das war der Werbeblock;-) Wir führen dieses Gespräch Anfang Dezember und eigentlich müsstest du jetzt graue Haare haben, hast du aber nicht, siehst fantastisch aus, weil ihr habt den Tag mit den meisten Paketen hinter euch.

Bernd Gemein: Wir haben Dienstag nach dem Black Friday, ist klassischerweise der Tag mit den meisten Paketen. Black Friday wird am Wochenende bestellt, dann wird am Montag eingeliefert, am Dienstag zugestellt und wir hatten jetzt fast 13 Millionen Pakete im Netz und das ist ..

Sprecher: An einem Tag.

Bernd Gemein: Das heißt, kann man jetzt messen, je nachdem leichte Differenzen zwischen Einlieferung und Zustellung, aber das ist der All-Time-Peak und wahrscheinlich wird das auch noch für dieses Jahr bleiben, aber ehrlicherweise fast immer am Dienstag nach dem Black Friday.

Das heißt, wir sehen den kontinuierlichen Wachstum von E-Commerce und der bedeutet eben immer größere Paketmengen. Wir sind eigentlich ganz zufrieden, dass sich diese Zeit jetzt mittlerweile eben sehr, sehr streckt. Das heißt, der Dienstag wird der Spitzentag sein, aber wir werden wahrscheinlich jeden Tag bis Weihnachten jetzt über 10 Millionen sehen und das ist eben ein gutes Mehr als die ungefähr sieben Millionen, die wir so im Jahresdurchschnitt haben.

Sprecher: Für dich als ITler ist noch eine andere Kennzahl wichtig, nämlich wie viele Labels werden gedruckt.

Bernd Gemein: Genau auch da haben wir einen Rekord gehabt, den haben wir dann logischerweise am Montag gehabt, ja einen Tag vorher. Und da sind wir diesmal bei 7,2 Millionen gedruckten Labels, ja das heißt Kunden, die über die Online-Frankierung, ja das geht über das Geschäftskundenportal, geht aber auch bei Privatkunden, die sich da ihre Label drucken.

Es gibt natürlich immer noch eine gewisse Anzahl, die tatsächlich in die Filiale gehen und da ein Label drucken lassen, aber unsere ganz große Kunden labeln selber und haben eigene Programme die von uns zertifiziert sind, aber der große Mittelteil ist eben noch mal stark gestiegen. Letztes Jahr 6,7 Millionen, dieses Mal 7,2 Millionen. Und als IT-Chef muss man natürlich seine IT darauf ausrichten, dass wir auch diesen Hub von ich sag mal, naja es ist keine Verdopplung, aber fast ja, 70, 80 Prozent mehr, das müssen die IT-Systeme dann eben auch können und nicht in Timeouts laufen und die Kunden verzweifeln lassen.

Sprecher: Nehmen wir uns mal mit auf diese Reise. Geschäft ist erwartbar. Wie bereitet ihr euch vor? Was macht ihr da? Stellt ihr noch ein Rechenzentrum, mieten wir noch ein bisschen Kapazität zu?

Bernd Gemein: Naja, an der Stelle hat uns schon natürlich die Cloud geholfen. In früheren Zeiten haben wir tatsächlich dann skaliert und Rechner daneben gestanden. Mit der Cloud sind wir in diesen Kapazitätsfragen ein Stück weit flexibler. Das erste große System, was wir in die Cloud gehoben haben, war dann auch unsere Track-und-Trace-Datenbank. Das ist jetzt fünf Jahre her und da wird ja jedes Event, wo ein Paket kommt, von der Einlieferung über Ankunft im Paketzentrum einladen, ins Lieferfahrzeug. Die werden alle getrackt. Das ist eben eine Datenbank, die um den Faktor 2 dann skalieren muss, eben zwischen Sommer und Herbst. Das geht mit der Cloud mittlerweile eigentlich ganz gut.

Sprecher: Ich sehe das Postkunde nicht mit, aber du sagst, es läuft reibungslos. Wir sind ja ganz vertraut hier.

Bernd Gemein: Reibungslos? Ich meine, wo gehobelt wird, fallen Späne und es gibt immer wieder mal kleine Probleme. Wir hatten ein paar Probleme kürzlich in den Paketshops, wo es unter der Last Schwierigkeiten gab. Das sind unsere kleineren Filialen, wo eben man nicht die Postdienstleistung, aber die Paketdienstleistung hat. So was passiert natürlich, weil es dann doch ein bisschen in der Last immer ein kleines bisschen unerwartet ist. Aber im Großen und Ganzen bin ich zumindest Stand heute noch sehr zufrieden mit der mit der Stabilität der Systeme.

Sprecher: Du siehst doch sehr entspannt aus.

Bernd Gemein: Ja, wenn Panik helfen würde, würde ich auch panisch werden.

Sprecher: Das heißt, wir haben auch ein bisschen Zeit über künstliche Intelligenz zu reden.

Bernd Gemein: Absolut.

Sprecher: Alle reden über künstliche Intelligenz, dann müssen wir das auch machen. Was macht die Post beim Thema künstliche Intelligenz?

Bernd Gemein: Oh, wir haben da ehrlicherweise einige Themen, an denen wir insgesamt bei DHL arbeiten. Das wahrscheinlich bis jetzt am stärksten beanspruchte und das am stärksten skalierte ist tatsächlich unser VoiceBot. Wir nennen sie Jana. Das heißt, wenn man als Kunde anruft bei der Deutschen Post, dann bekommt man zuerst mal eben eine künstliche Intelligenz. Das ist nicht mehr das alte System, wenn Sie einen Track-Event wissen wollen, klicken Sie die Eins und so weiter, sondern man kann da schon natürlich sprachlich mit reden.

Und ungefähr eine Million Anrufe pro Monat gehen auf diesen VoiceBot und die Lösungsquote liegt bei ungefähr 50 Prozent. Da ist natürlich relativ viel auch ähnliche Abfragen, ja sehr sehr viele Fragen, wo ist mein Paket, wo ist meine Sendung, Fragen zum Preis bei Auslandssendungen etc. Bei komplexeren Fragen wird dann an den Menschen übergeben, mit einer Vorqualifizierung. Der Mensch weiß dann meistens auch schon: Was ist der Vorgang? Was ist die Sendungsnummer? Und spart sich quasi die Abfrage da.

Aber wir haben eben auch 500.000 Fälle pro Monat, die wirklich mit AI gelöst werden. Es ist ganz interessant zu sehen von der Kundenerfahrung, wir messen natürlich auch die Rückmeldung der Kunden, Probleme, die gelöst werden können. Da ist der VoiceBot mittlerweile fast auf dem Niveau, wie es auch Menschen sind. Das heißt, ein kleiner Unterschied nur noch in der Zufriedenheit der Kunden bei Problemen, die nicht gelöst werden können, weil ja hin und wieder wirklich mal ein Paket beschädigt wurde etc. Da gibt es natürlich den Bonus, ja es ist zwar ein Fehler passiert, aber der Mensch hat sich bemüht. Den gibt man einer AI nicht. Da gibt es sozusagen dieses, ja dann immer noch zwei von fünf Sternen. Das gibt es bei Jana nicht. Jana kriegt dann eben auch den einen Stern von fünf.

Wenn der VoiceBot mitten in der Nacht angerufen wird, haben wir sogar bessere Ergebnisse.

Sprecher: Was ist die Erklärung dafür?

Bernd Gemein: Ja, weil ich glaube, dass die Leute dann tatsächlich positiv überrascht sind, dass sie überhaupt die Möglichkeit haben, sich mit dem Problem an die Deutsche Post zu wenden. Vor 23 Uhr war unser Callcenter nicht besetzt. Mit der künstlichen Intelligenz bieten wir jetzt eben erstmal einen 24-7-Dienst an. Und dieser 24-7-Dienst wird eben in den Zeiten, wo man vielleicht als Kunde mit der Ersterwartung reingeht, ich probiere es mal, aber vielleicht geht ja auch keiner dran, dann doch eben positiv überrascht.

Sprecher: Gut fürs Image.

Bernd Gemein: Und das ist gut fürs Image. Das ist auch gut natürlich, weil wir den Fall eben schon früher dann in die Backend-Systeme bekommen und was tun können. Und ist letztlich ja auch dann gut, wenn dem Kunden geholfen wird und sie nicht auf den nächsten Tag warten müssen.

Sprecher: Da machen wir die Probe aufs Exempel und wechseln den Standort Berlin-Adlershof. Hier sitzt der Kundenservice des Unternehmens.

Anette Wandel.

Sprecher: Diese Teufelskerle von der Post haben es tatsächlich fertig gebracht. Wir reden über Wandel und dann ist Wandel der richtige Name?

Anette Wandel: Ja, absolut.

Sprecher: Und jetzt reden wir über den Wandel bei der Deutschen Post. Du bist seit 2017 dabei und was machst du genau?

Anette Wandel: Ich verantworte die Dienstleistersteuerung und das vor allen Dingen im Sinne der Qualität. Im Grunde genommen ist mein Job, wenn ein Kunde bei uns anruft, dann soll er ein cooles Serviceerlebnis haben. Dafür stehe ich.

Sprecher: Haben die Kunden das?

Anette Wandel: Ja, nicht immer, aber wir arbeiten dran.

Sprecher: Wie arbeitet ihr dran? Was macht ihr? Ich rufe an und suche ein Paket. Das war wahrscheinlich relativ einfach.

Anette Wandel: Das ist relativ einfach. Ein Mitarbeiter wird eingestellt. Er muss ein paar Kernkompetenzen mitbringen, also dafür auch geeignet sein, dass er Spaß daran hat, dem Kunden am Telefon zu helfen. Aber dann wird er praktisch geschult, eingearbeitet und dann geht er in den Kundenkontakt und er weiß dann, wenn ein Kunde zu dem und dem Thema anruft, dann gehe ich den und den Prozess. Und wenn er es nicht direkt weiß, liest er es irgendwo nach.

Sprecher: Aber das ist wahrscheinlich schon so seit Bell und wie die alle hießen, die das Telefon erfunden haben. Irgendwann kam das Callcenter. Was ändert sich gerade?

Anette Wandel: Ziemlich viel. Also es ist ganz spannend. Wenn wir beim Agenten bleiben: Als ich hier angefangen habe, der hat so ein Tool, wo er nachliest, was er wie für Prozesse absolvieren muss. Und als ich hier angefangen hab, hab ich diese Arbeitsanweisungen, wie dann heißen Prozessbeschreibungen gelesen, dachte ich, oh krass, also das ist so lang und so viele Fachbegriffe und teilweise auch unübersichtlich. Wir haben eine gewisse Bearbeitungszeit. Ein Kunde will uns ja schnell erreichen und möchte auch nicht so lange mit uns sprechen, also das ist ein Qualitätsfaktor. Der Agent muss schnell schauen, wie er jetzt dieses Anliegen lösen muss und dabei schnell diese Inhalte verarbeiten.

Das war 2017 noch sehr umständlich. Jetzt haben wir seit ungefähr einem Jahr so eine Art Mein-Wissen-Bot. Mein Wissen ist unser Knowledge-Based-Tool. Da kann man eine Frage reinschreiben und bekommt eine Antwort. Das Coole ist, er kann diese Frage so stellen, wie er denkt. Wir denken praktisch vom Mitarbeiter zu den Prozessen und nicht der Mitarbeiter muss seine Frage so stellen, wie unsere Prozesse heißen.

Sprecher: Gib mir mal ein Beispiel, wie kann das aussehen?

Anette Wandel: Der Agent hat beispielsweise eine Frage zum Packstationsdefekt. Ein Kunde ruft an, ist in der Packstation und die Packstation ist kaputt. Er möchte gerne seine Sendung abholen, aber die ist defekt. Dann muss der Agent einen Defekt aufnehmen.

Das passiert jetzt nicht häufig, glücklicherweise. Es ist jetzt nicht so ein Standardprozess für einen Agenten. Dann klickt er die Frage rein, Packstationsdefekt beispielsweise oder Packstation kaputt. Er bekommt dann praktisch eine Beschreibung, welches Tool er nutzen soll und wie die einzelnen Schritte sind. Das kann er dann schnell abarbeiten.

Sprecher: Hinten geht eine Fehlermeldung gleich raus, dass das einer repariert und so weiter. Das heißt, da wird so ein Prozess angestoßen. Das war früher nicht so.

Anette Wandel: Doch. Da musste der Agent umständlich drei, vier Seiten lesen vielleicht vorher. Jetzt bekommt er das sehr schnell über diesen Bot zugestellt. Das ist Deine Antwort auf die Frage und das muss er so und so machen. Und warst du mit der Antwort zufrieden? Ja, ich bin sehr zufrieden. Es ist einfach leichter für den Mitarbeiter. Früher war es so, immer wenn er nicht den richtigen Suchbegriff in diesem Tool eingegeben hat, dann hat er auch keine Antwort bekommen.

Es ging darum, der Agent - der Mitarbeiter muss lernen, wie er bei uns richtig sucht. Andersrum. Der Mitarbeiter ist ja unser Kunde in dem Sinne. Wir müssen uns so aufstellen, dass der Mitarbeiter das eingeben kann mit den Rechtschreib- und Grammatikfehlern und trotzdem schnell eine Antwort bekommt. Und das ist für uns so ein Bot und das ist KI. Und das ist voll cool.

Sprecher: Jetzt habt ihr das und lehnt euch zurück, weil ihr seid jetzt schneller als die anderen?

Anette Wandel: Nee, wir pilotieren das und lernen noch weiter. In meiner Welt müsste das dann irgendwann sogar noch mehrsprachig werden. Also von daher, es ist ein cooler Start, der schon sehr gut funktioniert.

Sprecher: In deiner Welt müsste es mehrsprachig werden. Gib uns mal eine Prognose. Glaubst du, das ist bald so weit, dass ich auf Türkisch, Russisch, Englisch anrufen kann?

Anette Wandel: Also wenn wir erstmal bei uns bei den Mitarbeitern anfangen, glaube ich, werden wir das relativ zügig hinbekommen. Meine Vision wäre, der Kunde kann irgendwann in seiner Muttersprache uns anrufen, der Agent bekommt das dann in Echtzeit übersetzt, der Agent spricht in seiner Muttersprache und der Kunde bekommt es übersetzt.

Ich glaube, wir haben in dem letzten Jahr so viel erreicht. Wer weiß, das wird sicherlich bald passieren. Wir werden uns alle noch umschauen, wirklich.

Sprecher: Wir gehen direkt ins Callcenter, es ist erstaunlich ruhig. Jana, die digitale Kollegin, nimmt Kunden wie Mitarbeitern einen Teil der Arbeit ab. Ich darf das Mikrofon mal dazwischen halten. Kaum noch etwas erinnert an früher.

Übrigens, ab dem kommenden Jahr wird die Post in Dänemark keine Briefe mehr befördern. Briefkästen werden abgebaut. Allerdings, so sagen die Experten, bei unseren nördlichen Nachbarn ist die Digitalisierung eben einfach weiter als in Deutschland. Eine wesentliche Voraussetzung für einen solchen Schritt.

Unterdessen erklärt mir Dr. Hans-Christian Mennenga, Sprecher des Unternehmens, dass die Post derzeit komplett umbaut.

Sprecher: Für mich ist die Deutsche Post so ein klassisches Unternehmen, mit dem ich in Kontakt komme, wenn der Zusteller mit dem Brief oder mit dem Paket kommt. Oder ich sehe auf der Straße einen Briefkasten oder eine Paketstation seit kürzerem. Das ändert sich aber alles.

Dr. Hans-Christian Mennenga: Ja, das ist ganz interessant, weil du als Verbraucher uns natürlich maximal analog wahrnimmst. Da steht der Zusteller vor deiner Tür und übergibt dir das Paket oder er schmeißt dir den Brief in den Briefkasten. Das ist ja maximal analog, aber dahinter...

Sprecher: Ich gehe auch davon aus, das bleibt so. Das kann auch jegliche Digitalisierung nicht ändern.

Dr. Hans-Christian Mennenga: Das ist der Punkt, davon gehen wir aus. Also die Zeiten, in denen irgendwelche Drohnen oder spacigen Maschinen dir Briefe und Pakete zustellen, die sind noch in ferner Zukunft. Das ist und bleibt eine Massenindustrie, die von Hand gemacht ist. Und darauf sind wir ja auch ein Stück weit stolz.

Aber der Prozess dahinter, hinter der Zustellung, dem Zustellungsvorgang bei dir, der verändert sich doch maximal und das liegt eben an der zunehmenden Digitalisierung. Die Deutsche Post baut um. Wir müssen umbauen, ein System, was ja lange Jahre, Jahrzehnte auf das analoge Produkt Brief ausgerichtet war, zu einem System, was mehr und mehr vom E-Commerce dahinter dominiert wird.

Denn die Geschichte ist ja die, du als Verbraucher bestellst dir in der Regel ein Paket im Internet bei einem Online-Händler. Das ist ein maximal digitaler Vorgang und um diese Paketmengen, weil du nicht der Einzige bist, der das macht...

Sprecher: Habe ich schon manchmal gemerkt, ja.

Dr. Hans-Christian Mennenga: Damit diese ganzen Paketmengen auch jeden Tag deutschlandweit zuverlässig zugestellt werden können. Wir reden unterjährig von knapp sieben Millionen Paketen mittlerweile. In der Vorweihnachtszeit sind es sogar knapp 13 Millionen.

Das muss man sich mal in Bildern vorstellen, wie viele volle Züge das sind. Da könntest du, glaube ich, einen ganzen Zug zwischen Köln und Frankfurt vollpacken mit Paketen.

Sprecher: Dann kommt er nicht an.

Dr. Hans-Christian Mennenga: Dann kommt er nicht an. Und diese Pakete müssen ja zugestellt werden. Das heißt, das Netz muss massiv, das logistische Netz massiv umgebaut werden, damit das überhaupt möglich ist. Neue Hightech, neue Betriebskonzepte, damit wir überhaupt in der Lage sind, der Digitalisierung und der damit verbundenen E-Commerce Herr zu werden.

Und das passiert gerade im Hintergrund. Das kriegen die Verbraucher natürlich nicht mit, müssen sie auch nicht. Aber es ist eben auch kein Homerun, so einen großen Umbau zu stemmen.

Sprecher: Hintergrund, du gibst das Stichwort. Also ich bestelle etwas und wie ist der Zustand jetzt, bis das Paket zu mir kommt und wie wird er sein?

Dr. Hans-Christian Mennenga: Also der Grundzustand ist erstmal das Gleiche. Wenn du in Berlin ein Paket aufgibst und es soll in München ankommen, dann müssen ja Transportmittel es von A nach B bringen.

Was sich halt durch die Digitalisierung verändert, ist, dass du die Abläufe, die Steuerung, die Verkehrssteuerung, die Steuerung, wie Pakete in Paketzentren bearbeitet werden, maximal effektiver und besser lösen kannst, dass Maschinen und Hightech in Betriebsstätten, in Paketzentren in der Lage sind, viel schneller zu erkennen, woher kommt ein Paket, wo muss es hin, auch wenn es schlecht beschriftet ist, keine Fehlentscheidung treffen, dass daraufhin die LKW früher ablegen können, wir also effektiver arbeiten können dank der Digitalisierung, um diese ganzen Paketmengen, die jeden Tag in Deutschland zirkulieren, überhaupt rechtzeitig an das Ziel zu bringen, dass die sich nirgendwo stauen.

Das heißt, du als Verbraucher merkst vermutlich da keine Änderung, aber wir haben eine Riesenveränderung im Hintergrund.

Sprecher: Das heißt, mein Paket kommt in irgendeine Station bei euch und dann?

Dr. Hans-Christian Mennenga: Du gibst dein Paket beispielsweise ab in einer Packstation, weil du ein moderner Mensch bist und nicht an Öffnungszeiten gebunden sein möchtest und deswegen gibst du es abends um 19.30 Uhr in einer Packstation ab. Machst du digital mit deinem Handy, lieferst es ein.

So, dann kommen wir natürlich mit einem Zustellfahrzeug. Das ist auch kein klassisch digitaler Vorgang. Der Zusteller kann aber anhand seines Handscanners das Paket schon viel besser erfassen. Von dort aus geht es in ein Paketzentrum, ein Startpaketzentrum.

Hier wird es bearbeitet und der große Vorteil ist bei diesen riesigen Sendungsmengen, dass wir dank modernster digitaler Technologien in der Lage sind, so ein Paket sehr schnell dort zu bearbeiten und sehr schnell dort wieder abzugeben, wo es hin muss in die Richtung.

Du musst dir vorstellen, wenn du aus Berlin Pakete verschickst nach ganz Deutschland, brauchst du ja zig Entladestellen, von wo aus das Paket dann in den richtigen LKW gebracht wird. Und das ist nicht händisch, das ist maximal digital, das geht sehr, sehr schnell.

Und dann braucht es wieder eine Hand, physisch, Menschen, die eine Brücke beladen, einen LKW beladen, Zukunftsmusik kann auch sein, dass das irgendwann mal Roboter übernehmen, das machen jetzt aber noch Menschen.

Dann geht es auf die Straße, LKW, der wird von einem Menschen geführt. Aber die Verkehrssteuerung, wann fährt er auf den Hof, wie wird er beentladen, das funktioniert auch wieder über digitale Hilfsmittel.

Und da wird er im Zielpaketzentrum passiert, das Gleiche wie im Startpaketzentrum, nur dass dort wieder das Paket ganz schnell an einer anderen Entladestation entladen wird, geht dann in die Zustellbasen vor Ort und dort erreicht es dann den Empfänger.

Sprecher: Das ist der Regelfall, so soll es laufen, aber es gibt eben auch immer die Fälle, die nicht normal laufen. Und da will ich von Bernd Gemein wissen, wie die künstliche Intelligenz mehr und mehr eingesetzt wird. Du hast schon gesagt, wenn mal eine Sendung verloren geht. Jetzt gibt es ein System, das heißt Shark - Ah, wieder ein Tiername, super! So machen die das?

Bernd Gemein: Ja, Shark, hin und wieder gibt es Sendungen, in der Hauptsache, wo wir nicht wissen, wo sie hingehen sollen. Wenn zum Beispiel das Label schlecht aufgeklebt war und sich gelöst hat oder wenn sie so beschädigt sind, dass das Label eben nicht mehr lesbar ist, dann haben wir ein Paket, haben den Inhalt des Paketes, wissen aber nicht, wo dieses System, wo dieses Paket hingehen soll.

Und dann gibt es für Briefe eine Stelle in Marburg und für Pakete eine Stelle in Wuppertal, wo wir alle diese Systeme, alle diese Sendungen sammeln. Und wenn Kunden sich dann eben beschweren und sagen, das Paket ist nicht angekommen, versuchen zu matchen, ist vielleicht eine der Sachen, die wir da gesammelt haben, das passende Paket für den Kunden.

Und da ist natürlich das A und O, wie klassifizieren wir die Sendungen, die in diese Nachsendestellen gehen. Und je besser wir das tun, desto höher ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, es wiederzufinden.

Bis aktuell tun das eben Menschen, die sich die Sendung angucken und dann eben aufschreiben. Bei Büchern ist es einfach, da kann man die ISBN hinschreiben. Manchmal steht da eben aber auch nur unförmiges, plastikmäßiges Teil drin und der Mensch kann eben nicht erkennen, was es ist.

Jetzt setzen wir eine KI dran, die aufgrund des Fotos dieses Bildes eben das überprüft, überprüft mit Warenkatalogen von Herstellern und eben dann feststellt, dieses kleine, unförmige Plastikteil ist eben ein Ersatzteil für, keine Ahnung, ein Fahrrad.

Sprecher: Ein ganz exotisches Auto, was von uns keiner kennt.

Bernd Gemein: Genau, was man jetzt unbedingt natürlich nicht die Möglichkeit hat, dass ein Mensch sich durch all diese möglichen Kataloge macht, ist natürlich einfach nicht gegeben.

Die Klassifikation, der typische Mensch schreibt dann fünf bis zehn Klassifikationsregeln, die KI schreibt dann eben auch noch 20 weitere da rein. Und wir haben in den Feldversuchen, das ist noch nicht komplett live, glauben wir schon, dass wir die Anbringungsquote, die im Moment so eine Hälfte ist, 50 Prozent gut, dass wir die auf 90 Prozent steigern können. Und an der Stelle ist es natürlich wirklich eine Win-Win-Situation. Denn jeder Kunde, dessen Paket, dessen Sendung wir dann doch finden, ist natürlich ein zufriedener Kunde. Und für uns ist es ein Haftungsfall, den wir reduziert haben, den wir natürlich auch nicht bezahlen wollen. Aber als Kunde ist mir meistens ja auch der Inhalt lieber als die Haftung.

Sprecher: Du hast gesagt 50 Prozent. Wir sind ja mitten in der Halle und insofern hört man das auch, dass hier gearbeitet wird. Du hast gesagt, bisher hatten wir so eine Trefferquote von 50 Prozent, hoffen auf 90 Prozent. Wann profitiere ich als Kunde davon? Wann geht es los?

Bernd Gemein: Ab Januar werden wir das sukzessive ausrollen und profitieren tun dann genau die Kunden, die ansonsten die Sendung nicht bekommen hätten. Was selten passiert, es ist keine große Zahl, die da passiert, aber die Kunden werden dann eben ihre Sendung sehen, anstatt eben irgendwas anderes.

Sprecher: Wenn wir in 5 Jahren hier stehen, wir beide in unseren neuen Schuhchen, die wir hier tragen müssen aus Arbeitsschutzgründen, wenn wir beide in 5 Jahren hier stehen, sieht das dann auch genauso aus?

Bernd Gemein: Höchstwahrscheinlich nicht.

Sprecher: Was ist anders?

Bernd Gemein: Der Briefbereich ist tendenziell ein Verlierer, weil immer mehr E-Mails etc. geschrieben werden, andere Wege. Der Paketbereich ist natürlich ein riesen Gewinner im Bereich E-Commerce, Onlinehandel und dazu versuchen wir eben die vorhandenen Kapazitäten, die man in den Briefzentren hat, nutzbar zu machen für eben Warensendungen, also sprich Pakete, die eben von der Größe her auch in der Briefsortierung funktionieren können. Wenn es uns gelingt, die Briefsortierung so aufzurüsten, dass sie eben kleine Pakete machen kann, dann ist das für uns noch attraktiver.

Sprecher: Wo ist die Hürde dabei?

Bernd Gemein: Die Hürde, und das ist auch wieder ein guter Anwendungsfall für die künstliche Intelligenz, ist eigentlich aus einer IT-Sicht zweierlei. Ich muss erkennen, ob die Sendung auch in Briefsortiermaschinen geht. Dazu gibt es zwei Kriterien. Das erste Kriterium ist sehr einfach, das ist die Größe. Wenn das Paket halt irgendwann zu groß ist.

Sprecher: Oh, ich habe keine künstliche Intelligenz, ich auch so.

Bernd Gemein: Dafür brauchen wir die noch nicht. Das zweite ist, die Pakete müssen eine gewisse Flexibilität, Biegsamkeit haben. Wenn die Sachen zu starr sind und überhaupt keine Flexibilität haben, dann sorgen die dafür, dass die Zahnräder in den Sortiermaschinen für Briefe abbrechen. Wenn die Pakete zu unförmig, also zu labberig sind, dann verstopfen sie die Briefsortiermaschinen.

So ein Paket muss, damit es hier funktionieren kann, ungefähr so flexibel sein wie ein Brief. Das lösen wir dadurch, dass wir in den Paketzentren, da wo die Pakete in den Eingang gehen, alle Sendungen fotografieren. Das machen wir ohnehin, um das Label zu erkennen und mit künstlicher Intelligenz versuchen wir dann aus dem Schattenriss dieser Sendungen auf die Biegsamkeit zu schließen.

Das muss man entsprechend trainieren, funktioniert aber, sodass wir an Spitzentagen durchaus im Netzsprung, das machen wir nicht jeden Tag, aber wenn Spitzentage im Volumen sind, ja auch im hohen 6- bis niedrigen 7-stelligen Bereich Sendungen da eben umrouten können und aus dem Paketstrom in den Briefstrom geben und die Biegsamkeit erkennen können, um freie Kapazitäten zu füllen.

Sprecher: Damit die KI auch entsprechend lernen kann.

Bernd Gemein: Damit die KI das lernen kann, ja. Und wir der KI logischerweise Feedback geben müssen. Die KI muss trainiert werden. Das ist anders als der klassische Test, ja. Aber die KI muss trainiert werden und muss eben auch das Feedback bekommen: Bei diesen Paketen hast du beim Schattenriss geglaubt zu erkennen, die sind eben einigermaßen gut in ihrer Flexibilität und sie sind es auch wirklich gewesen oder sie sind es nicht gewesen.

Sprecher: Aber da muss auch einer nachkontrollieren. Und hast du das Problem, wie du es mit den Zahnrädern beschrieben hast, trotzdem?

Bernd Gemein: Das wird dann natürlich, wenn wir die KI trainiert haben, von den Auflegekräften, die das wissen, kontrolliert. Es kommt ja auch immer vor, dass etwas zu schwammig ist, das wird dann kontrolliert.

Die letzte Kontrolle ist dann eben, ob es wirklich stecken bleibt, was aber natürlich idealerweise zu vermeiden ist, weil da muss ja immer ein Techniker in die Maschine krabbeln und das Paket rausholen.

Nein, nein, das wird natürlich im ersten Schritt, wo die Kraft in den Briefzentren die Pakete auflegt, noch mal gegentestet, dass das auch wirklich geht. Und sonst kommt es hier eben auch in die Resthand-Sortierung, wo es eben nicht anders geht.

Sprecher: Könnte man ja sagen, ihr macht euch einen schlanken Fuß in diesen schönen schwarz-gelben Arbeitsschuhchen und sagt, Briefgeschäft machen wir nicht mehr. Dänemark macht uns das vor. Daumen runter. Seht zu, wie ihr eure Briefe wegkriegt.

Bernd Gemein: Ich glaub, wenn ich jetzt ganz groß denke, auch Dänemark muss noch ein paar Lösungen finden. Ja, ein Briefgeschäft ist natürlich in irgendeiner Form schon auch notwendig für einen funktionierenden Staat.

Im Januar und Februar haben wir ganz viele Wahlbenachrichtigungen verteilt, was immer so ein bisschen bei uns der kritischste Moment ist, weil da möchten wir jetzt auch keine Schwäche zeigen.

Ich glaube, was uns bislang gut gelungen ist, ist, dass wir den Mehrwert eines Briefes auch ein bisschen aufgeladen haben. Wir haben ja die hybriden Varianten. Wenn man eben unsere App hat, sieht man auch ein Track & Trace für Briefkunden. Ja, was es so in anderen Ländern eben nicht gibt. Das heißt, man hat schon so ein bisschen die Convenience. Ich bin nicht zu Hause, sehe aber trotzdem, was bei mir ankommt. Wir haben da aus dem Paketgeschäft auch ein bisschen was gelernt für das Briefgeschäft.

Unsere Preise sind im europäischen Maßstab tendenziell niedrig. Ja, Malta liegt noch niedriger, Luxemburg liegt aber schon höher.

Sprecher: Die haben vielleicht längere Wege da in Luxemburg. Die schaffen alles erst an die Nordsee.

Bernd Gemein: Genau, da will ich jetzt meinen Kollegen von der Luxemburger Post nicht reinreden. Ich glaube, es ist uns aber tatsächlich gelungen, hier doch auch eine hybride Welt zu schaffen, wo man eben den Brief als sehr, sehr verlässliches Instrument zusammen mit elektronischen Features wie Sendungsverfolgung eben zusammengebracht hat und das ist gut.

Und selbst bei klassischen Online-Händlern gibt es einen Trend, dass, ich meine, der alte Otto-Katalog mit 1000 Seiten, der ist natürlich Vergangenheit, das ist völlig klar.

Sprecher: Ich habe zufälligerweise gerade noch, jetzt machen wir Schleichwerbung ohne Ende, du sagst Otto, ich sag Bader, die haben noch Kataloge, habe ich gerade gesehen.

Bernd Gemein: Gut, also genau, ich korrigiere mich, ja, der große Katalog von 1000 Seiten, der ist wahrscheinlich Vergangenheit, egal von welchem Versandhändler, aber wir sehen durchaus bei E-Commerce-Kunden, also E-Commerce-Händlern, dass sie den kleinen Katalog oder die kleine Postkarte als Erinnerung „mich gibt es noch" durchaus auch nutzen.

Denn es passiert natürlich, dass man einen Kunden hat als Online-Händler und aus irgendeinem Grund rutscht man bei denen in den Spam-Ordner und dann hat man keine Werbemöglichkeit mehr. Und dann vielleicht nach sechs oder zwölf Monaten noch mal wieder eine Postkarte zu schicken, die nicht im Spam-Ordner landet, sondern einfach wieder bemerkt wird, wenn man sie aus dem Briefkasten holt, ist tatsächlich durchaus ein Trend, wo eben auch bei Gruppen, wo man es nicht vermutet hätte, weil sie komplett online sind, dieses physische Geschäft durchaus seinen Wert hat.

Sprecher: Du hast schon mal 200 Jahre vorausgeguckt, 100 Jahre. Ich will mal so ganz kurz. Was sind die Themen, die für dich 2026 auf dem Schreibtisch liegen, wo du sagst, jetzt Digitalisierung, künstliche Intelligenz, diese ganzen Schlagworte, ich will das jetzt durchbringen.

Bernd Gemein: Also unterm Strich ist natürlich das Thema künstliche Intelligenz im Moment in aller Munde. Natürlich müssen wir mit der künstlichen Intelligenz auch ganz ganz stark aus demografischer Sicht auffangen, dass eben sehr sehr viele Leute bei uns in den Ruhestand gehen.

Sprecher: Das heißt, die Technik muss die Fachkräfte ersetzen?

Bernd Gemein: Die Technik wird bis zu einem gewissen Grad Fachkräfte ersetzen müssen.

Sprecher: Aber du kannst doch einen Zusteller nicht digitalisieren? Da kommt doch kein Roboter.

Bernd Gemein: Der Zusteller ist wahrscheinlich, ich gehe davon aus, der CIO wird eher durch KI ersetzt werden als der Zusteller. Das ist Teil des Moravecsches Paradoxs, dass gewisse Tätigkeiten, die man für hochintellektuell hält, eher ersetzbar sind als praktische Tätigkeiten.

Nein, beim Zusteller ist es völlig klar, dass wir natürlich den Zusteller haben. Aber logischerweise, wir sollten mal ganz hoch halten, das Wissen, was so ein Zusteller eben hat. Das ist keine einfache Tätigkeit. Der Zusteller kennt seinen Stammbezirk sehr, sehr gut.

Und natürlich ist es so, wir stellen sechs Tage die Woche zu. Das heißt logischerweise immer an einem Tag kann es nicht der Stammzusteller machen. Und da ist es eben auch wichtig, dass der Springer oder im Weihnachtsgeschäft eben die Aushilfskraft auch gut eingewiesen werden kann. Und da hilft KI schon eine Menge.

Sprecher: Inwiefern? Dass das Wissen dann dem Aushilfszusteller zur Verfügung steht?

Bernd Gemein: Genau, das sind Sachen, die wir in der Datenbank als Bezirksbesonderheiten dann eben entsprechend speichern. Das ist auch das Verhalten des Zustellers im Sinne von wir wissen, welche Touren er fährt.

Sprecher: Wo der Hund ist…

Bernd Gemein: Wir wissen auch, im Zweifelsfall wird das eingetragen: Achtung bissiger Hund, logischerweise. Auch das gehört neben den Schuhen zum Arbeitsschutz. Wir wollen ja auch nicht, dass unsere Zusteller gebissen werden.

Wir können da schon auf Basis der Datenlage, die wir haben, der Aushilfskraft eine Menge Informationen auf dem Handscanner geben, den sie eh dabei haben, mit Routenführung, aber eben auch mit solchen Besonderheiten, die das Leben eben massiv einfacher machen.

Und das hilft uns auch bei der Rekrutierung, das hilft uns eben auch, Kräfte zu halten. Gerade in den ersten Monaten merkt man durchaus, dass das ein anstrengender Job ist, Paketzusteller zu sein. Körperlich anstrengend, aber wenn man eben den Bezirk nicht gut kennt und die falschen Routen fährt und zur falschen Zeit vor der Grundschule steht, wenn gerade 500 Kinder die Grundschule verlassen und man kommt nicht weiter, dann hat man natürlich auch Schwierigkeiten.

Am Ende glaube ich, ist das tatsächlich der Haupthebel, denn das Wissen, was in den Köpfen unserer Menschen ist, ist eigentlich das wertvollste Asset. Und das ist die Ortskenntnis an vielen Stellen. Das ist auch bei vielen anderen Prozessen die Kenntnis, die wir da haben.

Wir setzen mittlerweile KI ein, um Ausstiegsinterviews zu führen, wo man die KI nochmal nachfragt, was sind denn die Sachen, die du im Kopf hast, die besonders wichtig sind, die kein anderer weiß und daraus eben noch mal sozusagen unsere Prozessdokumentationen entsprechend ergänzen.

Sprecher: Wie funktioniert das? Gib mir mal ein Beispiel.

Bernd Gemein: Tatsächlich wird das in unserer Abrechnung eingesetzt. Ich führe ein Interview mit einem Bot, der mit mir noch einmal den Prozess entlang der Beschreibung, die wir haben, durchgeht und fragt ob das wirklich immer so gemacht wird. Und kommt wirklich manchmal raus: Ja nee, in dem Fall machen wir das anders. Da ist dann letztlich die Dokumentation, eine Zusatzdokumentation, die dann vielleicht ansonsten gar nicht so bekannt ist. Und die Sachen am Ende vereinfacht. Am Ende ist die Routenoptimierung natürlich etwas, wo wir auch festgestellt haben, dass gerade in der Zustellung das Wissen der Zusteller eben ein Stück weit besser ist als das, was wir aus dem Kartenmaterial sehen. Der Zusteller weiß, an welchen Stellen er gerade noch mit dem Fahrrad durchkommt und an welchen Stellen eben nicht. Unsere Fahrräder sind ja ein bisschen größer, da kommt man entsprechend nicht mit diesen Fahrrädern durch. Dieses Wissen nutzbar zu machen ist eigentlich tatsächlich als Haupteffekt.

Sprecher: Herzlichen Dank, Bern Gemein. „Head of Festplatte" habe ich erst gesagt, aber CIO ist richtig, oder?

Bern Gemein: CIO ist richtig.

Sprecher: Jetzt hast du noch einen Wunsch frei. Wir sind ja jetzt so in der Wunschzeit. Fortuna Düsseldorf soll aufsteigen, oder was ist der Wunsch?

Bern Gemein: Der ist mir schon als völlig unrealistisch klar.

Sprecher: Wunder dauern etwas länger.

Bern Gemein: Genau, insofern bin ich froh, wenn Düsseldorf dieses Jahr nicht absteigt.

Nein, mein Wunsch ist natürlich, dass die Weihnachtszeit weiter so solide abläuft, dass wir weiter ein brummendes, aber kein Überlastgeschäft haben. Ich freue mich, wenn wir ein Weihnachten haben, wo alle Leute zufrieden mit ihrer Familie da sitzen und die von uns gelieferten Geschenke auspacken.

Sprecherin: Das war „heise meets … – Der Entscheider-Talk". Sie wollen mehr erfahren? Dann besuchen Sie uns auf heise-meets.de. Wir freuen uns auf Sie.

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